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Vergabeverordnung (VgV) einfach erklärt: Recht, Pflichten, Praxis.

Bedeutung und Anwendungsbereich der VgV

Die Vergabeverordnung (VgV) stellt das zentrale Regelwerk des deutschen Vergaberechts für öffentliche Aufträge im Oberschwellenbereich dar und konkretisiert die in §§ 97 ff. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) niedergelegten Grundsätze. Sie gilt gemäß § 1 VgV für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen, sofern der geschätzte Auftragswert die Schwellenwerte der Europäischen Union überschreitet, die durch die regelmäßig aktualisierten EU-Verordnungen nach Art. 6 der Richtlinie 2014/24/EU festgelegt sind. Ihr Hauptzweck besteht darin, Transparenz, Gleichbehandlung und Wettbewerbsförderung sicherzustellen. Damit bildet die VgV einen wesentlichen Teil des europäischen Binnenmarktes ab, indem sie die unionsrechtlichen Vorgaben in nationales Recht transformiert. Die VgV ist nicht isoliert zu betrachten, sondern steht im Zusammenspiel mit Spezialverordnungen wie der Sektorenverordnung (SektVO), der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) sowie der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV). Unternehmen, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen, müssen daher die VgV als zentrales Fundament des Vergaberechts kennen, um ihre Rechte wirksam wahrzunehmen.

Rechtsquellen und europarechtlicher Hintergrund

Die VgV basiert unmittelbar auf der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe. Diese Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Umsetzung bestimmter Verfahrensstandards, um den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie den Wettbewerb im Binnenmarkt zu gewährleisten. Deutschland hat diese Vorgaben durch das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz (VergRModG) von 2016 umgesetzt, in dessen Zuge die VgV vollständig neu gefasst wurde. Rechtsdogmatisch betrachtet entfaltet die Richtlinie keine unmittelbare Wirkung zwischen Privaten, wohl aber Bindungswirkung gegenüber dem Mitgliedstaat. Daraus folgt, dass die nationale Auslegung der VgV stets unionsrechtskonform erfolgen muss. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in ständiger Rechtsprechung, etwa in der Entscheidung „Pressetext Nachrichtenagentur“ (EuGH, Rs. C-454/06), die unionsrechtlichen Grundprinzipien der Transparenz und Gleichbehandlung präzisiert, welche unmittelbar auf die Auslegung der VgV einwirken. Auch die deutsche Rechtsprechung, etwa des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. v. 18.06.2019 – X ZB 8/19), nimmt regelmäßig auf den europäischen Ursprung Bezug, sodass die VgV stets im Lichte der Richtlinienkonformität angewendet werden muss.

Grundprinzipien des Vergabeverfahrens nach der VgV

Kern der VgV sind die Grundsätze der Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung. § 97 Abs. 1 GWB statuiert, dass öffentliche Aufträge im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben werden müssen. Diese Vorgabe wird durch § 7 VgV weiter konkretisiert, indem dort die Eignungskriterien definiert und objektive, nachvollziehbare Maßstäbe eingefordert werden. Der Transparenzgrundsatz verlangt, dass sämtliche Vergabeunterlagen und Zuschlagskriterien im Voraus festgelegt und allen Bietern gleichermaßen zugänglich gemacht werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet Auftraggeber, alle Bewerber ohne sachwidrige Differenzierungen zu behandeln, was insbesondere bei der Prüfung von Referenzen oder bei der Eignungsfeststellung relevant ist. Verstöße gegen diese Grundprinzipien führen nicht nur zur Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens, sondern eröffnen betroffenen Unternehmen zugleich den vergaberechtlichen Rechtsschutz nach §§ 155 ff. GWB. Damit kommt der VgV eine doppelte Funktion zu: Sie schützt das öffentliche Interesse an sparsamer und wirtschaftlicher Mittelverwendung sowie die subjektiven Rechte der Unternehmen.

Verfahrensarten nach der VgV

Die VgV regelt in §§ 14 ff. die zulässigen Verfahrensarten, die öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe oberhalb der EU-Schwellenwerte anwenden dürfen. Als Regelverfahren ist das offene Verfahren vorgesehen, in dem jeder interessierte Bieter ein Angebot abgeben kann. Daneben kennt die VgV das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren, den wettbewerblichen Dialog und die Innovationspartnerschaft. Jede Verfahrensart unterliegt spezifischen Voraussetzungen und Grenzen, die strikt zu beachten sind. Das offene Verfahren zeichnet sich durch größtmögliche Transparenz aus, während das nicht offene Verfahren eine Vorauswahl von Unternehmen erlaubt. Das Verhandlungsverfahren ist nur in den in § 14 Abs. 3 VgV normierten Ausnahmefällen zulässig, etwa wenn die Leistung nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann. Der EuGH hat in seiner Entscheidung „Kommission/Deutschland“ (C-20/01) betont, dass diese Ausnahme eng auszulegen ist. Die Innovationspartnerschaft (§ 19 VgV) wurde erst mit der Reform 2016 eingeführt und ermöglicht Auftraggebern die gemeinsame Entwicklung innovativer Lösungen mit Unternehmen, sofern der Markt keine geeigneten Produkte bereithält.

Zuschlagskriterien und wirtschaftlichstes Angebot

Ein zentrales Element der VgV ist die Zuschlagserteilung, die nach § 127 GWB auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgen muss. § 58 VgV konkretisiert, dass neben dem Preis auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden dürfen. Damit wird der Spielraum für nachhaltige und strategische Beschaffung erheblich erweitert. Allerdings verlangt der Transparenzgrundsatz, dass sämtliche Zuschlagskriterien in den Vergabeunterlagen eindeutig angegeben und mit einer Gewichtung versehen werden. Der EuGH hat in der Entscheidung „Concordia Bus Finland“ (C-513/99) klargestellt, dass Umweltkriterien zulässig sind, sofern sie mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen. In Deutschland hat die Vergabekammer Bund mehrfach betont, dass eine nachträgliche Änderung oder Ergänzung von Zuschlagskriterien unzulässig ist (vgl. VK Bund, Beschl. v. 15.11.2018 – VK 2-97/18). Unternehmen sollten daher die Vergabeunterlagen sorgfältig prüfen, um sicherzustellen, dass die Bewertungsmatrix rechtskonform gestaltet ist. Auftraggeber wiederum müssen ihre Entscheidung nachvollziehbar dokumentieren, um sich nicht angreifbar zu machen.

Eignungsprüfung und Ausschlussgründe

Die Eignungsprüfung ist in §§ 42 ff. VgV geregelt und dient dazu, sicherzustellen, dass nur leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen am Verfahren teilnehmen. Öffentliche Auftraggeber dürfen Kriterien zur Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und rechtlichen Befähigung festlegen, müssen dabei aber die Verhältnismäßigkeit wahren. Ausschlussgründe sind in § 123 GWB zwingend vorgeschrieben, etwa bei schweren Straftaten wie Korruption oder Betrug, während § 124 GWB fakultative Ausschlussgründe wie schwerwiegende Pflichtverletzungen im Rahmen früherer Aufträge vorsieht. Unternehmen haben gemäß § 125 GWB die Möglichkeit der „Selbstreinigung“, indem sie nachweisen, dass sie geeignete Maßnahmen zur Wiedergutmachung und zur Prävention ergriffen haben. Die Vergabekammern und Gerichte überprüfen regelmäßig die Zulässigkeit solcher Ausschlüsse, wobei die Beweislast beim Auftraggeber liegt. Ein rechtswidriger Ausschluss kann zu einem erfolgreichen Nachprüfungsverfahren führen, wie der BGH in seiner Entscheidung X ZB 8/18 hervorgehoben hat.

Dokumentationspflichten und Rechtsschutz

§ 8 VgV verpflichtet Auftraggeber, sämtliche wesentlichen Entscheidungen und Erwägungen im Vergabevermerk festzuhalten. Diese Dokumentationspflicht dient nicht nur der internen Kontrolle, sondern ist Grundlage für eine effektive Nachprüfung durch die Vergabekammern. Unternehmen können nach § 160 GWB die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragen, wenn sie eine Verletzung ihrer Rechte vermuten. Voraussetzung ist die rechtzeitige Rüge gegenüber dem Auftraggeber. Der Rechtsschutz erstreckt sich über zwei Instanzen: zunächst die Vergabekammern der Länder oder des Bundes, sodann die Oberlandesgerichte gemäß § 171 GWB. Der EuGH hat in der Entscheidung „Fastweb“ (C-19/13) betont, dass effektiver Rechtsschutz ein unionsrechtlich verbürgtes Prinzip ist. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie sich gegen vergaberechtswidrige Entscheidungen effektiv wehren können, während Auftraggeber zu höchster Sorgfalt verpflichtet sind, um Verzögerungen und Kostenrisiken durch Nachprüfungsverfahren zu vermeiden.

Verhältnis der VgV zu nationalen und europäischen Normen

Die VgV ist Teil des deutschen Sekundärrechts und entfaltet Bindungswirkung für öffentliche Auftraggeber. Sie steht in einem engen systematischen Verhältnis zum GWB als Primärgesetz des Vergaberechts. Europarechtlich ist sie das Transformationsinstrument der Richtlinie 2014/24/EU. Die Normenhierarchie verlangt, dass bei Zweifeln eine richtlinienkonforme Auslegung der VgV Vorrang hat. Zudem gilt das Primärrecht der Europäischen Union, insbesondere die Grundfreiheiten aus Art. 34 ff. AEUV, welche auch unterhalb der Schwellenwerte Bedeutung entfalten können. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass unionsrechtliche Vorgaben innerstaatlich uneingeschränkt Geltung beanspruchen, solange keine ultra-vires-Handlungen vorliegen. Daher muss die VgV stets in einem europarechtlichen Kontext interpretiert werden, um Wertungswidersprüche zu vermeiden.

Fazit zur VgV

Die Vergabeverordnung (VgV) ist das Herzstück des deutschen Vergaberechts im Oberschwellenbereich und bildet die verbindliche Grundlage für transparente, faire und wettbewerbsfördernde Vergabeverfahren. Sie verbindet nationale und europäische Rechtsgrundlagen, schützt die Rechte der Unternehmen und gewährleistet eine sachgerechte Verwendung öffentlicher Mittel. Für Unternehmen bedeutet die VgV sowohl Chance als auch Herausforderung, da sie einerseits den Marktzugang eröffnet, andererseits komplexe rechtliche Anforderungen stellt. Auftraggeber wiederum sind gehalten, ihre Verfahren rechtskonform zu gestalten, um Anfechtungen und Verzögerungen zu vermeiden. Wer im Vergaberecht erfolgreich agieren will, sollte die VgV in allen Details beherrschen.

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FAQ zur VgV

1. Was ist die Vergabeverordnung (VgV) und wofür gilt sie?

Die Vergabeverordnung (VgV) ist die zentrale Verordnung des deutschen Vergaberechts für Liefer- und Dienstleistungsaufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte. Sie konkretisiert die in §§ 97 ff. GWB enthaltenen Grundsätze und überträgt die Vorgaben der Richtlinie 2014/24/EU in nationales Recht. Anwendbar ist die VgV auf alle öffentlichen Auftraggeber im Sinne von § 99 GWB, sofern der geschätzte Auftragswert den von der EU regelmäßig festgelegten Schwellenwert überschreitet. Sie regelt die Verfahrensarten, die Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie die Dokumentationspflichten. Für Unternehmen stellt die VgV die rechtliche Grundlage dar, um an europaweiten Ausschreibungen teilzunehmen und ihre Rechte im Vergabeverfahren durchzusetzen.

2. Welche Rechtsquellen stehen hinter der VgV?

Die VgV basiert primär auf der EU-Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe. Diese Richtlinie wurde mit dem Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2016 in deutsches Recht umgesetzt. Ergänzend sind die §§ 97–184 GWB als übergeordnetes Gesetz einschlägig. Auf europäischer Ebene sind außerdem die Grundfreiheiten des AEUV, insbesondere Art. 34 ff., maßgeblich, die ein diskriminierungsfreies Vergabeverfahren sicherstellen. In der Rechtsprechung des EuGH, etwa im Urteil „Pressetext Nachrichtenagentur“ (C-454/06), wurden die unionsrechtlichen Prinzipien konkretisiert, die auch für die Auslegung der VgV verbindlich sind. Damit ist die VgV Teil eines umfassenden Mehrebenensystems, das nationale und europäische Rechtsnormen verzahnt.

3. Wer ist verpflichtet, die VgV anzuwenden?

Adressaten der VgV sind öffentliche Auftraggeber im Sinne von § 99 GWB. Dazu zählen insbesondere Bund, Länder, Gemeinden, deren Sondervermögen sowie juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, sofern sie überwiegend durch die öffentliche Hand finanziert oder kontrolliert werden. Auch Sektorenauftraggeber unterliegen bei bestimmten Tätigkeiten den vergaberechtlichen Vorgaben, jedoch in erster Linie der SektVO. Für klassische Aufträge oberhalb der Schwellenwerte bleibt die VgV jedoch zwingend anwendbar. Öffentliche Auftraggeber dürfen nicht frei entscheiden, ob sie die VgV anwenden, sondern sind kraft Gesetzes dazu verpflichtet, was regelmäßig von den Vergabekammern überprüft wird.

4. Ab welchem Auftragswert gilt die VgV?

Die Anwendbarkeit der VgV hängt von den EU-Schwellenwerten ab, die alle zwei Jahre durch eine EU-Verordnung angepasst werden. Derzeit liegen die Schwellenwerte gemäß der Verordnung (EU) 2024/249 bei 143.000 Euro für Liefer- und Dienstleistungsaufträge oberster Bundesbehörden, bei 221.000 Euro für sonstige Auftraggeber sowie bei 5.538.000 Euro für Bauaufträge. Sobald der geschätzte Auftragswert diese Schwellen überschreitet, ist die VgV zwingend anzuwenden. Unterhalb dieser Werte gelten nationale Regelungen wie die UVgO. Auftraggeber müssen den Auftragswert nach den Vorgaben von § 3 VgV sorgfältig ermitteln und dürfen ihn nicht unzulässig aufteilen, um die Anwendung der VgV zu umgehen.

5. Welche Verfahrensarten regelt die VgV?

Die VgV legt in §§ 14 ff. verschiedene Verfahrensarten fest. Standard ist das offene Verfahren, bei dem jeder interessierte Bieter ein Angebot abgeben darf. Daneben existieren das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren mit oder ohne Teilnahmewettbewerb, der wettbewerbliche Dialog und die Innovationspartnerschaft. Das Verhandlungsverfahren darf nur bei den in § 14 Abs. 3 VgV genannten Ausnahmefällen genutzt werden, etwa bei technischen Alleinstellungsmerkmalen. Der EuGH fordert in ständiger Rechtsprechung eine enge Auslegung dieser Ausnahmefälle. Die Innovationspartnerschaft wurde eingeführt, um die gemeinsame Entwicklung innovativer Produkte zwischen Auftraggebern und Unternehmen zu ermöglichen, wenn der Markt keine passenden Lösungen bereithält.

6. Welche Grundsätze müssen Auftraggeber nach der VgV beachten?

Die VgV verpflichtet öffentliche Auftraggeber, die in § 97 Abs. 1 GWB festgelegten Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung einzuhalten. Diese Grundsätze werden in § 7 VgV konkretisiert, der die objektive, nachvollziehbare und diskriminierungsfreie Gestaltung von Eignungskriterien fordert. Der Transparenzgrundsatz verlangt, dass sämtliche Zuschlagskriterien im Voraus bekannt gemacht werden. Gleichbehandlung bedeutet, dass alle Bieter die gleichen Informationen erhalten und identisch behandelt werden. Verstößt ein Auftraggeber gegen diese Prinzipien, riskieren er und sein Verfahren eine erfolgreiche Nachprüfung durch die Vergabekammer nach §§ 160 ff. GWB.

7. Welche Rolle spielen die Zuschlagskriterien in der VgV?

Die Zuschlagskriterien sind entscheidend für die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots im Sinne von § 127 GWB. Nach § 58 VgV dürfen Auftraggeber neben dem Preis auch qualitative, soziale oder ökologische Kriterien berücksichtigen. Die Zuschlagskriterien müssen stets einen Bezug zum Auftragsgegenstand haben, andernfalls sind sie unzulässig. Der EuGH hat im Fall „Concordia Bus“ (C-513/99) betont, dass Umweltaspekte vergaberechtlich berücksichtigt werden dürfen, solange sie sachlich gerechtfertigt sind. Auftraggeber sind verpflichtet, die Kriterien mit Gewichtung im Vorfeld zu veröffentlichen. Nachträgliche Änderungen sind unzulässig und führen zur Rechtswidrigkeit des Verfahrens.

8. Welche Pflichten bestehen für die Dokumentation?

§ 8 VgV verpflichtet Auftraggeber, den gesamten Vergabeprozess in einem Vergabevermerk zu dokumentieren. Dazu zählen die wesentlichen Entscheidungen, die Auswahl der Verfahrensart, die Begründung der Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie die Auswahlentscheidung selbst. Diese Dokumentation dient der Nachvollziehbarkeit und ist Grundlage für ein mögliches Nachprüfungsverfahren nach § 163 GWB. Fehlerhafte oder unzureichende Dokumentationen können zu einem Aufhebungsbeschluss durch die Vergabekammer führen. Das OLG Düsseldorf hat mehrfach betont, dass die Dokumentation ein tragendes Element des Rechtsschutzes darstellt und daher mit höchster Sorgfalt geführt werden muss.

9. Welche Ausschlussgründe sieht die VgV vor?

Die Ausschlussgründe sind in §§ 123 und 124 GWB geregelt und gelten auch für Verfahren nach der VgV. Zwingende Ausschlussgründe bestehen etwa bei Verurteilungen wegen Korruption, Betrug oder Geldwäsche. Fakultative Ausschlussgründe erlauben den Ausschluss bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen oder unzureichender Zuverlässigkeit. Unternehmen können jedoch nach § 125 GWB eine sogenannte Selbstreinigung vornehmen, indem sie nachweisen, dass sie Maßnahmen zur Verhinderung künftiger Verstöße ergriffen haben. Vergabekammern und Gerichte prüfen regelmäßig, ob ein Ausschluss rechtmäßig war, wobei die Beweislast für die Voraussetzungen beim Auftraggeber liegt.

10. Wie erfolgt die Eignungsprüfung?

Die Eignungsprüfung dient nach §§ 42 ff. VgV der Sicherstellung, dass nur fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen den Zuschlag erhalten. Auftraggeber dürfen Kriterien festlegen, müssen jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Typische Nachweise betreffen wirtschaftliche Kennzahlen, technische Leistungsfähigkeit oder Referenzen. Die Rechtsprechung fordert, dass die Anforderungen klar, transparent und diskriminierungsfrei formuliert sein müssen. Werden unzulässige oder überzogene Anforderungen gestellt, können Unternehmen dagegen vorgehen. Der EuGH hat mehrfach klargestellt, dass unverhältnismäßige Eignungskriterien gegen das Unionsrecht verstoßen und damit unzulässig sind.

11. Was bedeutet das Transparenzgebot konkret?

Das Transparenzgebot ist in § 97 Abs. 1 GWB verankert und verlangt, dass Vergabeverfahren für alle Beteiligten nachvollziehbar sind. Auftraggeber müssen sämtliche Vergabeunterlagen vollständig und rechtzeitig veröffentlichen. Auch Änderungen während des Verfahrens sind allen Bietern in gleicher Weise mitzuteilen. Der EuGH hat im Urteil „Telaustria“ (C-324/98) hervorgehoben, dass Transparenz ein Kernprinzip des Binnenmarktes ist. In der Praxis bedeutet dies, dass Auftraggeber ihre Entscheidungen offenlegen und sachlich begründen müssen. Verstöße gegen das Transparenzgebot führen regelmäßig zur Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens und können im Nachprüfungsverfahren erfolgreich gerügt werden.

12. Welche Möglichkeiten des Rechtsschutzes bestehen nach der VgV?

Unternehmen können nach §§ 160 ff. GWB ein Nachprüfungsverfahren einleiten, wenn sie ihre Rechte durch Verstöße gegen die VgV verletzt sehen. Voraussetzung ist die vorherige Rüge des Verstoßes beim Auftraggeber. Das Verfahren beginnt vor den Vergabekammern, deren Entscheidungen gemäß § 171 GWB vor den Oberlandesgerichten überprüft werden können. Der EuGH hat in der Rechtssache „Fastweb“ (C-19/13) betont, dass effektiver Rechtsschutz unionsrechtlich geboten ist. Für Unternehmen bedeutet dies die Möglichkeit, fehlerhafte Vergabeverfahren effektiv zu korrigieren. Auftraggeber wiederum müssen mit Verzögerungen und Kostenrisiken rechnen, wenn sie die Vorgaben der VgV nicht strikt einhalten.

13. Welche Bedeutung hat die Innovationspartnerschaft in der VgV?

Die Innovationspartnerschaft nach § 19 VgV ist eine spezielle Verfahrensart, die 2016 eingeführt wurde, um Auftraggebern die Entwicklung innovativer Lösungen mit Unternehmen zu ermöglichen. Sie kommt dann zum Einsatz, wenn es auf dem Markt keine geeigneten Produkte oder Dienstleistungen gibt. Der Auftraggeber kann mit einem oder mehreren Partnern eine langfristige Zusammenarbeit eingehen, die Entwicklung und Beschaffung umfasst. Diese Verfahrensart ist eng mit der EU-Richtlinie 2014/24/EU verknüpft, die die Förderung von Innovation ausdrücklich vorsieht. Für Unternehmen eröffnet sie neue Chancen, innovative Lösungen gemeinsam mit öffentlichen Auftraggebern zu realisieren.

14. Welche Rolle spielt der Preis bei der Zuschlagserteilung?

Der Preis ist nach § 127 GWB zwar ein wesentliches, aber nicht das alleinige Zuschlagskriterium. Die VgV erlaubt ausdrücklich die Berücksichtigung qualitativer, umweltbezogener und sozialer Aspekte. Das bedeutet, dass Auftraggeber nicht verpflichtet sind, das billigste Angebot auszuwählen, sondern das wirtschaftlichste Gesamtangebot. Die Rechtsprechung fordert jedoch, dass die Gewichtung der Kriterien klar festgelegt wird. Ein reiner Preiswettbewerb ist nur dann zulässig, wenn qualitative Unterschiede unerheblich sind. Damit wird der Preis relativiert und Unternehmen können auch mit innovativen oder nachhaltigen Konzepten punkten.

15. Wie verhält sich die VgV zur UVgO?

Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) gilt für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte und ist damit das Pendant zur VgV im nationalen Bereich. Während die VgV unmittelbar auf der EU-Richtlinie 2014/24/EU basiert, stellt die UVgO ein rein nationales Regelwerk dar. Beide Verordnungen verfolgen jedoch dieselben Grundprinzipien der Transparenz und Wettbewerbsförderung. Der wesentliche Unterschied liegt im Anwendungsbereich: Die VgV regelt europaweite Vergaben oberhalb der Schwellenwerte, während die UVgO für kleinere Vergaben unterhalb dieser Werte maßgeblich ist. Auftraggeber müssen daher den Auftragswert korrekt berechnen, um die richtige Verordnung anzuwenden.

16. Welche Folgen haben unzulässige Änderungen der Vergabeunterlagen?

Unzulässige Änderungen der Vergabeunterlagen während eines laufenden Verfahrens verstoßen gegen das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot. Nach der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere in der „Pressetext“-Entscheidung (C-454/06), sind wesentliche Änderungen als Neuvergabe zu behandeln. In der Praxis bedeutet dies, dass der Auftraggeber das Verfahren aufheben und neu ausschreiben muss, wenn sich die Vertragsbedingungen grundlegend ändern. Für Unternehmen ist dies ein wichtiger Schutzmechanismus, da sie sich auf die ursprünglich veröffentlichten Bedingungen verlassen dürfen. Auftraggeber riskieren bei unzulässigen Änderungen eine erfolgreiche Nachprüfung und erhebliche Verzögerungen.

17. Welche Pflichten bestehen bei der Auftragswertschätzung?

§ 3 VgV verpflichtet Auftraggeber, den voraussichtlichen Auftragswert realistisch und vollständig zu ermitteln. Dabei sind sämtliche Leistungen einschließlich Optionen und Vertragsverlängerungen einzubeziehen. Eine Aufteilung des Auftrags mit dem Ziel, unter die Schwellenwerte zu gelangen, ist ausdrücklich untersagt. Der EuGH hat wiederholt klargestellt, dass eine künstliche Aufspaltung von Aufträgen unionsrechtswidrig ist. Auftraggeber, die den Wert falsch berechnen, riskieren nicht nur eine vergaberechtliche Beanstandung, sondern auch Schadensersatzforderungen von Unternehmen, die aufgrund der fehlerhaften Schätzung vom Verfahren ausgeschlossen wurden.

18. Wie wirkt sich die VgV auf grenzüberschreitende Vergaben aus?

Da die VgV auf der Richtlinie 2014/24/EU basiert, gilt sie gleichermaßen für grenzüberschreitende Vergaben innerhalb des Binnenmarktes. Unternehmen aus allen Mitgliedstaaten haben das Recht, sich an Ausschreibungen in Deutschland zu beteiligen, sofern sie die in der VgV festgelegten Kriterien erfüllen. Das Diskriminierungsverbot aus Art. 18 der Richtlinie verpflichtet Auftraggeber, auch ausländische Bieter gleichzubehandeln. In der Praxis bedeutet dies, dass nationale Anforderungen, die faktisch ausländische Anbieter benachteiligen, unzulässig sind. Damit stärkt die VgV den freien Wettbewerb im Binnenmarkt und eröffnet deutschen Unternehmen zugleich Zugang zu Ausschreibungen in anderen Mitgliedstaaten.

19. Welche Besonderheiten gelten bei elektronischer Kommunikation?

§ 9 VgV verpflichtet Auftraggeber, die Vergabeunterlagen elektronisch bereitzustellen und die Kommunikation digital zu ermöglichen. Seit Oktober 2018 sind elektronische Angebote in Vergabeverfahren verpflichtend. Dies dient der Transparenz und erleichtert den Zugang zum Verfahren. Auftraggeber müssen jedoch sicherstellen, dass die elektronische Plattform den technischen und rechtlichen Anforderungen genügt. Der EuGH hat betont, dass der Zugang für alle Bieter diskriminierungsfrei ausgestaltet sein muss. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie moderne elektronische Werkzeuge nutzen müssen, um Angebote fristgerecht und ordnungsgemäß einzureichen.

20. Welche Bedeutung hat die VgV für Unternehmen?

Für Unternehmen ist die VgV von zentraler Bedeutung, da sie den rechtlichen Rahmen für die Teilnahme an europaweiten Vergabeverfahren vorgibt. Sie eröffnet den Marktzugang, schützt vor Diskriminierung und ermöglicht den Rechtsschutz im Falle von Rechtsverstößen. Allerdings erfordert die VgV detaillierte Kenntnisse und eine sorgfältige Vorbereitung von Angeboten. Fehler im Umgang mit den komplexen Vorschriften können zum Ausschluss führen. Gleichzeitig bietet die VgV Unternehmen die Chance, mit innovativen, nachhaltigen und wirtschaftlichen Angeboten erfolgreich zu sein. Wer die VgV beherrscht, kann seine Wettbewerbsposition im öffentlichen Auftragswesen nachhaltig stärken.