Angebote in Papierform: Rechtliche Grundlagen & Praxis.
Definition und Entwicklung
Angebote in Papierform sind klassische schriftliche Erklärungen, die im Rahmen von Ausschreibungen oder Vertragsvergaben abgegeben werden. Sie dienen dem Nachweis der Ernsthaftigkeit sowie der Verbindlichkeit des Angebots und sind nach den allgemeinen Regeln der §§ 145 ff. BGB einseitige Willenserklärungen. Historisch stellten Papierangebote die einzige zulässige Form der Angebotsabgabe dar. Erst mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2014/24/EU in deutsches Recht und den Vorschriften der Vergabeverordnung (VgV) sowie der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) erhielt die elektronische Form Vorrang. Dennoch ist die Papierform rechtlich nicht vollständig verdrängt worden, sondern in eng umgrenzten Ausnahmefällen weiterhin zulässig. Diese Entwicklung verdeutlicht die Spannung zwischen Digitalisierung und Rechtssicherheit im Vergabeverfahren.
Rechtsgrundlagen und zentrale Normen
Die zentrale Vorschrift für Angebote in Papierform ist § 53 VgV, der bestimmt, dass Angebote grundsätzlich elektronisch einzureichen sind. Die Papierform darf nach § 53 Abs. 3 VgV nur zugelassen werden, wenn die elektronische Übermittlung technisch nicht möglich oder aus anderen zwingenden Gründen unzumutbar ist. Auch die UVgO enthält mit § 38 Abs. 1 eine gleichlautende Regelung. Zivilrechtlich greifen die allgemeinen Bestimmungen des BGB zur Abgabe von Willenserklärungen (§ 145 BGB – Bindung an den Antrag; § 126 BGB – Schriftform). Weiterhin sind die Vorschriften des GWB (§§ 97 ff.) relevant, da diese die Grundsätze von Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung sichern. Die Abgrenzung zur elektronischen Form wird durch die eIDAS-Verordnung (EU) Nr. 910/2014 bestimmt, welche die Anforderungen an elektronische Signaturen festlegt.
🔗 § 53 VgV im Gesetzestext
🔗 § 38 UVgO im Gesetzestext
🔗 §§ 145 ff. BGB – Angebot und Annahme
Abgrenzung zu digitalen Angeboten
Digitale Angebote werden über elektronische Vergabeplattformen übermittelt. Der wesentliche Unterschied zu Papierangeboten besteht in der Form der Abgabe und den damit verbundenen Sicherheitsstandards. Während Papierangebote handschriftlich unterzeichnet werden, verlangen elektronische Angebote in der Regel qualifizierte elektronische Signaturen gemäß der eIDAS-Verordnung (EU) Nr. 910/2014. Papierangebote unterliegen hingegen physischen Sicherungsmechanismen, wie der fristgerechten Abgabe im verschlossenen Umschlag. Nach § 53 Abs. 2 VgV dürfen Auftraggeber keine zusätzlichen Hürden für elektronische Angebote schaffen, was zeigt, dass der Gesetzgeber die Papierform nur noch als Ausnahme betrachtet. Dennoch bleibt sie ein rechtlich relevantes Instrument, insbesondere in Sonderfällen.
Pflichten von Bietern und Auftraggebern
Bieter sind verpflichtet, ihre Angebote fristgerecht, vollständig und formwirksam einzureichen. Bei Angeboten in Papierform bedeutet dies insbesondere die eigenhändige Unterschrift und die Einhaltung der in den Vergabeunterlagen bestimmten Abgabeform. Auftraggeber müssen nach § 97 Abs. 1 GWB den Wettbewerb sicherstellen und dürfen Papierangebote nur akzeptieren, wenn eine Ausnahme nachweisbar vorliegt. Zudem obliegt ihnen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung eingereichter Papierangebote, da diese als vertraulich gelten (§ 5 Abs. 2 VgV). Verstöße gegen diese Pflichten können zu Nachprüfungsverfahren führen. Die Vergabekammern haben mehrfach entschieden, dass eine unzulässige Zulassung oder Ablehnung von Papierangeboten zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führen kann.
Grenzen und Ausnahmen
Die Papierform darf nur in gesetzlich definierten Ausnahmefällen zugelassen werden. Nach § 53 Abs. 3 VgV sind dies insbesondere Situationen, in denen elektronische Mittel objektiv nicht praktikabel sind. Beispiele sind komplexe technische Zeichnungen, die digital nicht übermittelt werden können, oder sicherheitsrelevante Daten, deren Übermittlung in elektronischer Form besondere Risiken birgt. Auch nach der SektVO (§ 41 Abs. 1) können vergleichbare Ausnahmen bestehen. Die Zulassung von Papierangeboten muss im Vergabevermerk dokumentiert werden. Eine pauschale Bevorzugung der Papierform widerspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 97 Abs. 2 GWB und kann daher nicht rechtmäßig sein.
Folgen bei Missachtung
Die Folgen einer fehlerhaften Behandlung von Angeboten in Papierform sind erheblich. Wird ein Angebot zu Unrecht abgelehnt, hat der betroffene Bieter Anspruch auf Nachprüfung durch die zuständige Vergabekammer (§ 160 GWB). Bei einer unzulässigen Zulassung von Papierangeboten droht die Aufhebung des gesamten Vergabeverfahrens. Darüber hinaus kann die Rechtswidrigkeit zu Schadensersatzansprüchen nach § 181 GWB führen. Auch strafrechtliche Konsequenzen sind nicht ausgeschlossen, wenn durch die Manipulation von Angebotsunterlagen ein Betrug im Sinne von § 263 StGB vorliegt. In der Praxis kommt es häufig zu Rügen seitens der Bieter, die sich auf den Grundsatz der Transparenz und Gleichbehandlung nach Art. 18 der Richtlinie 2014/24/EU berufen.
Praxisbeispiele aus der Vergabe
Ein klassisches Beispiel betrifft Bauvergaben nach VOB/A. Bis 2020 wurden Angebote regelmäßig in Papierform eingereicht, obwohl die elektronische Vergabe bereits verpflichtend war. Gerichte wie das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 13.12.2017, VII-Verg 39/17) haben klargestellt, dass die unzulässige Zulassung von Papierangeboten zur Rechtswidrigkeit des Verfahrens führt. In einem anderen Fall ließ eine Kommune Papierangebote zu, weil sie ihre elektronische Plattform nicht rechtzeitig bereitstellen konnte. Die Vergabekammer entschied, dass dies nur bei dokumentierter technischer Unmöglichkeit zulässig war. Solche Fälle zeigen, dass die Papierform im Vergaberecht zwar ausnahmsweise zulässig bleibt, jedoch strengen Voraussetzungen unterliegt.
Bedeutung für den Rechtsstaat
Angebote in Papierform haben trotz des digitalen Wandels weiterhin eine symbolische und praktische Bedeutung. Sie stehen für die Grundprinzipien von Rechtssicherheit, Transparenz und Nachprüfbarkeit. Der Gesetzgeber wahrt damit auch den Zugang kleinerer Bieter, die möglicherweise nicht über die technischen Mittel für elektronische Angebote verfügen. Zugleich schützt die Möglichkeit der Papierform den Gleichbehandlungsgrundsatz und stärkt das Vertrauen in öffentliche Vergaben. Allerdings steht die Ausnahme in einem Spannungsverhältnis zur europäischen Zielsetzung der vollständigen Digitalisierung. Der Rechtsstaat muss daher einen ausgewogenen Rahmen schaffen, der beide Interessen berücksichtigt: die Digitalisierung der Verwaltung und die Wahrung rechtlicher Teilhabe.
FAQ zu Angebote in Papierform
- Welche Normen regeln Angebote in Papierform?
Maßgeblich sind § 53 VgV, § 38 UVgO sowie §§ 145 ff. BGB. - Sind Papierangebote heute noch zulässig?
Grundsätzlich nicht, nur in Ausnahmefällen nach § 53 Abs. 3 VgV. - Muss ein Papierangebot unterschrieben sein?
Ja, die eigenhändige Unterschrift ist erforderlich (§ 126 BGB). - Welche Fristen gelten für Papierangebote?
Dieselben Fristen wie für elektronische Angebote, vgl. § 20 VgV. - Darf der Auftraggeber Papierangebote verlangen?
Nur in gesetzlich zulässigen Ausnahmefällen, dokumentiert im Vergabevermerk. - Welche Rolle spielt die eIDAS-Verordnung?
Sie regelt elektronische Signaturen, betrifft also indirekt die Abgrenzung. - Wie werden Papierangebote aufbewahrt?
Sie müssen vertraulich behandelt und sicher archiviert werden (§ 5 Abs. 2 VgV). - Können Bieter auf Papierform bestehen?
Nein, es besteht kein Anspruch, wenn die elektronische Abgabe vorgeschrieben ist. - Welche Risiken bestehen für Auftraggeber?
Aufhebung des Verfahrens, Schadensersatz und Nachprüfungsverfahren. - Welche Rolle spielt die EU-Richtlinie 2014/24/EU?
Sie verpflichtet zur Digitalisierung, schränkt die Papierform auf Ausnahmen ein. - Was passiert bei verspäteter Abgabe?
Angebote in Papierform sind zwingend auszuschließen (§ 57 VgV). - Gelten besondere Vorschriften im Bauwesen?
Ja, nach VOB/A gelten strenge Anforderungen an die Form. - Sind Faxangebote zulässig?
Nein, Fax ist keine zulässige Papierform. - Welche Bedeutung hat der Gleichbehandlungsgrundsatz?
Er verbietet eine Bevorzugung von Papierangeboten. - Wie prüft die Vergabekammer Papierangebote?
Sie bewertet die Zulässigkeit nach § 160 GWB. - Kann die Schriftform durch Scan ersetzt werden?
Nein, nur Original mit eigenhändiger Unterschrift ist gültig. - Wie dokumentiert der Auftraggeber Ausnahmen?
Durch einen Vergabevermerk nach § 8 VgV. - Welche Rechtsfolgen hat ein Formfehler?
Ausschluss des Angebots nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV. - Sind Papierangebote im Sektorenbereich anders geregelt?
Ja, § 41 SektVO erlaubt ebenfalls Ausnahmen. - Welche Rolle spielen Datenschutzvorgaben?
Papierangebote müssen nach DSGVO sicher verwahrt werden.
Fazit zu Angebote in Papierform
Angebote in Papierform haben im modernen Vergaberecht eine nur noch ausnahmsweise Bedeutung. Sie sind rechtlich zulässig, wenn elektronische Übermittlung unmöglich oder unzumutbar ist. Auftraggeber müssen ihre Zulassung stets dokumentieren, Bieter die Formstrenge wahren. Verstöße führen regelmäßig zu gravierenden Konsequenzen wie Ausschluss, Schadensersatz oder Aufhebung des Verfahrens. Für Unternehmen und Verwaltungen empfiehlt es sich, die digitale Abgabe als Standard zu nutzen, zugleich aber die verbleibenden Ausnahmen rechtssicher zu beherrschen.
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