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Aufklärungsverhandlungen im Vergaberecht

Bedeutung der Aufklärungsverhandlungen im Vergabeverfahren

Aufklärungsverhandlungen sind ein zentraler Bestandteil des Vergabeverfahrens, weil sie der Klärung von Zweifeln an den Angeboten dienen, ohne den Charakter des Verfahrens als Wettbewerb zu verfälschen. Sie sind rechtlich in § 15 Abs. 5 VgV und in § 17 Abs. 10 VOB/A EU verankert und unterscheiden sich fundamental von förmlichen Verhandlungsverfahren. Ihr Zweck besteht nicht darin, nachträglich Vertragsbedingungen zu ändern oder Preise neu zu verhandeln, sondern allein darin, Missverständnisse oder Unklarheiten zu beseitigen. Der Bundesgerichtshof (BGH) und das Oberlandesgericht Düsseldorf haben mehrfach betont, dass eine Überschreitung dieser Grenze zu unzulässigen Verhandlungen führt, die den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 2 GWB) verletzen können. Unternehmen sind deshalb verpflichtet, ihre Angebote von Anfang an eindeutig zu formulieren, während Auftraggeber die Aufklärung strikt auf objektive Fragen beschränken müssen.

Europarechtliche Vorgaben: Transparenz und Grenzen der Aufklärung

Die unionsrechtlichen Vorgaben ergeben sich aus der Richtlinie 2014/24/EU. Art. 56 Abs. 3 der Richtlinie erlaubt Auftraggebern ausdrücklich, von Unternehmen Erläuterungen oder Vervollständigungen ihrer Angebote zu verlangen, sofern dies nicht zu einer Änderung der wesentlichen Bestandteile des Angebots führt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Regelung in seiner Entscheidung „Manova“ (C-336/12) konkretisiert und klargestellt, dass Nachforderungen und Erläuterungen nur im engen Rahmen zulässig sind. Die Grenze ist überschritten, wenn durch die Aufklärung eine nachträgliche inhaltliche Änderung des Angebots oder ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung entsteht. Damit wird unionsrechtlich der Spagat zwischen Flexibilität und Wettbewerbsgleichheit gesichert.

Nationale Umsetzung: § 15 VgV als zentrale Vorschrift

Im deutschen Recht bildet § 15 Abs. 5 VgV die maßgebliche Norm für Aufklärungsverhandlungen. Danach dürfen Auftraggeber Bieter auffordern, Angebote zu erläutern oder zu ergänzen, soweit dies erforderlich ist, um Zweifel an der Vollständigkeit oder Verständlichkeit auszuräumen. Zugleich bestimmt die Vorschrift ausdrücklich, dass keine inhaltlichen Änderungen des Angebots erfolgen dürfen. Ergänzend enthält § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV Regelungen über den Ausschluss von Angeboten, die Änderungen an den Vergabeunterlagen enthalten. Die Kombination dieser Vorschriften verdeutlicht, dass Aufklärungsverhandlungen der Präzisierung dienen, nicht jedoch der nachträglichen Modifikation von Angeboten.

Abgrenzung zwischen Aufklärung und unzulässigen Verhandlungen

Eine der größten praktischen Herausforderungen liegt in der Abgrenzung zwischen zulässiger Aufklärung und unzulässiger Nachverhandlung. Während Aufklärungsverhandlungen auf die Beseitigung von Zweifeln beschränkt sind, beinhalten Verhandlungen im engeren Sinn die Anpassung von Preisen, Leistungsumfängen oder Zuschlagskriterien. Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 08.06.2016 – VII-Verg 54/15) stellte klar, dass bereits der Versuch, Angebote nachträglich wirtschaftlich zu verbessern, als unzulässige Verhandlung zu werten ist. Auftraggeber dürfen daher keine Änderungen akzeptieren, die über Erläuterungen hinausgehen, während Unternehmen gehalten sind, in der Aufklärung lediglich vorhandene Angaben zu präzisieren.

Rechtsprechung des EuGH und BGH zu Aufklärungsverhandlungen

Die Rechtsprechung prägt die Auslegung erheblich. Der EuGH hat in mehreren Urteilen, insbesondere in „Manova“ (C-336/12), betont, dass Nachforderungen nur dann zulässig sind, wenn sie nicht den Kern des Angebots verändern. In Deutschland hat der BGH (Urteil vom 15.04.2008 – X ZR 129/06) entschieden, dass Auftraggeber bei unklaren Angeboten verpflichtet sind, Aufklärungsverhandlungen einzuleiten, bevor ein Ausschluss ausgesprochen wird. Gleichwohl dürfen sie die Aufklärung nicht dazu nutzen, das Angebot nachträglich zu verbessern. Diese Rechtsprechung verdeutlicht, dass Aufklärungsverhandlungen ein enges Korsett haben, das Auftraggeber und Unternehmen gleichermaßen bindet.

Aufklärungspflicht des Auftraggebers und Grenzen des Ermessens

Die Rechtsprechung erkennt in bestimmten Fällen eine Pflicht des Auftraggebers zur Aufklärung an. Diese ergibt sich insbesondere dann, wenn das Angebot zwar missverständlich, aber objektiv auslegbar ist. Das OLG München (Beschluss vom 18.06.2015 – Verg 2/15) entschied, dass der Ausschluss ohne vorherige Aufklärung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Dennoch verbleibt Auftraggebern ein gewisser Ermessensspielraum, der jedoch durch die Grundsätze von Transparenz und Gleichbehandlung begrenzt ist. Eine selektive Aufklärung einzelner Angebote ist unzulässig, da dies Wettbewerbsverzerrungen nach sich zieht.

Aufklärungsverhandlungen bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten

Besondere Relevanz entfalten Aufklärungsverhandlungen im Zusammenhang mit ungewöhnlich niedrigen Angeboten. Nach § 60 VgV ist der Auftraggeber verpflichtet, Bieter aufzufordern, die Kalkulation zu erläutern, wenn der Preis Zweifel an der Auskömmlichkeit weckt. Erst wenn die Aufklärung keine ausreichende Begründung liefert, darf ein Ausschluss erfolgen. Der EuGH (C-599/10 „SAG ELV Slovensko“) hat entschieden, dass Auftraggeber verpflichtet sind, die Bieter anzuhören, bevor sie ungewöhnlich niedrige Angebote ausschließen. Diese Konstellation zeigt, dass Aufklärungsverhandlungen hier nicht nur zulässig, sondern zwingend vorgeschrieben sind.

Praktische Bedeutung für Unternehmen

Für Unternehmen stellen Aufklärungsverhandlungen eine kritische Phase dar, da sie die Chance bieten, Unklarheiten auszuräumen, zugleich aber das Risiko bergen, unzulässige Nachbesserungen zu provozieren. Sie müssen ihre Angaben daher konsistent halten und ausschließlich präzisieren, nicht jedoch inhaltlich neu gestalten. Jede Abweichung kann von Auftraggebern als unzulässige Angebotsänderung gewertet und zum Ausschluss führen. Unternehmen sollten Aufklärungsverhandlungen deshalb juristisch begleiten lassen, um sicherzustellen, dass ihre Erläuterungen im zulässigen Rahmen bleiben und nicht die formale Integrität des Angebots gefährden.

Fazit zur Aufklärungsverhandlung

Aufklärungsverhandlungen sind ein notwendiges, aber streng begrenztes Instrument im Vergabeverfahren. Sie dienen der Klärung von Zweifeln und Missverständnissen, dürfen jedoch nicht in nachträgliche Angebotsänderungen münden. Rechtsgrundlagen finden sich in § 15 Abs. 5 VgV, § 17 EU VOB/A und Art. 56 Abs. 3 RL 2014/24/EU. Die Rechtsprechung von EuGH, BGH und OLGs setzt klare Grenzen und betont, dass Transparenz und Gleichbehandlung gewahrt bleiben müssen. Auftraggeber haben die Pflicht, Aufklärungsverhandlungen sachlich und diskriminierungsfrei zu führen, während Unternehmen sorgfältig darauf achten müssen, den zulässigen Rahmen nicht zu überschreiten.

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FAQ zu Aufklärungsverhandlungen

    1. Was sind Aufklärungsverhandlungen im Vergaberecht?

    Aufklärungsverhandlungen sind Gespräche zwischen Auftraggeber und Bietern, die der Klärung von Unklarheiten oder Zweifeln an den Angeboten dienen. Rechtsgrundlage ist § 15 Abs. 5 VgV, der ausdrücklich festlegt, dass Erläuterungen eingeholt werden dürfen, solange keine inhaltliche Änderung der Angebote erfolgt. Auch § 17 EU VOB/A enthält vergleichbare Regelungen für Bauvergaben. Der Unterschied zu echten Verhandlungsverfahren besteht darin, dass Aufklärungsverhandlungen nur der Präzisierung und Transparenz dienen, nicht jedoch der Nachbesserung von Preisen oder Leistungsinhalten. Nach der Rechtsprechung des EuGH („Manova“, C-336/12) ist die Grenze erreicht, wenn die Aufklärung faktisch zu einer Angebotsänderung führt.


    2. Welche gesetzlichen Grundlagen regeln Aufklärungsverhandlungen?

    Auf nationaler Ebene bildet § 15 Abs. 5 VgV die zentrale Vorschrift. Sie erlaubt dem Auftraggeber, von den Bietern Erläuterungen oder Vervollständigungen zu verlangen, um Angebote besser zu verstehen. § 60 VgV ergänzt dies für ungewöhnlich niedrige Angebote. Im Baubereich gilt § 17 Abs. 10 EU VOB/A. Auf europäischer Ebene findet sich die Grundlage in Art. 56 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU, die Nachforderungen und Erläuterungen ausdrücklich zulässt, jedoch Änderungen wesentlicher Angebotsbestandteile verbietet. Der EuGH und nationale Gerichte haben die Anwendung präzisiert und enge Grenzen gezogen.


    3. Worin liegt der Unterschied zwischen Aufklärung und Verhandlung?

    Der wesentliche Unterschied liegt im Zweck. Aufklärungsverhandlungen dienen lediglich der Beseitigung von Missverständnissen oder dem Nachweis, dass ein Angebot vollständig ist. Verhandlungen hingegen sind auf Änderungen oder Verbesserungen von Preisen und Leistungen gerichtet. Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 08.06.2016 – VII-Verg 54/15) stellte klar, dass bereits der Versuch, einen Preis nach unten zu korrigieren, eine unzulässige Nachverhandlung darstellt. Während Aufklärung zulässig und teilweise geboten ist, führen Verhandlungen im falschen Verfahren zur Rechtswidrigkeit und können das Vergabeverfahren angreifbar machen.


    4. Wann ist eine Aufklärungspflicht des Auftraggebers gegeben?

    Eine Pflicht zur Aufklärung besteht, wenn ein Angebot zwar unklar formuliert ist, sich aber durch Nachfrage präzisieren lässt. Der BGH (Urteil vom 15.04.2008 – X ZR 129/06) hat entschieden, dass ein Ausschluss ohne vorherige Aufklärung unverhältnismäßig sein kann. Auch das OLG München (Beschluss vom 18.06.2015 – Verg 2/15) bestätigte, dass Auftraggeber zur Nachfrage verpflichtet sind, wenn die Unklarheit durch eine einfache Erläuterung beseitigt werden kann. Damit wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt und unnötige Ausschlüsse werden vermieden.


    5. Welche Rolle spielt die Gleichbehandlung bei Aufklärungsverhandlungen?

    Der Grundsatz der Gleichbehandlung nach § 97 Abs. 2 GWB und Art. 18 RL 2014/24/EU verpflichtet Auftraggeber, alle Bieter gleich zu behandeln. Aufklärungsverhandlungen dürfen daher nicht selektiv geführt werden. Werden einzelne Unternehmen bevorzugt nach Details gefragt oder erhalten sie die Möglichkeit, ihr Angebot zu verbessern, liegt ein Verstoß vor. Die Vergabekammern prüfen streng, ob Auftraggeber allen Bietern denselben Maßstab anlegen. Jede Ungleichbehandlung kann zur Rechtswidrigkeit des Verfahrens führen und ein Nachprüfungsverfahren auslösen.


    6. Welche Grenzen bestehen bei Aufklärungsverhandlungen?

    Die Grenzen sind dort erreicht, wo Erläuterungen in eine faktische Angebotsänderung übergehen. Art. 56 Abs. 3 RL 2014/24/EU und § 15 Abs. 5 VgV verbieten Änderungen wesentlicher Bestandteile wie Preise, Zuschlagskriterien oder Leistungsinhalte. Der EuGH („Manova“, C-336/12) und das OLG Düsseldorf (VII-Verg 54/15) haben entschieden, dass Aufklärungsverhandlungen keine zweite Angebotsrunde darstellen dürfen. Sie dienen ausschließlich der Transparenz und Nachvollziehbarkeit, nicht der Optimierung von Angeboten. Auftraggeber müssen daher streng darauf achten, dass die Grenze nicht überschritten wird.


    7. Welche Bedeutung haben Aufklärungsverhandlungen bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten?

    Nach § 60 VgV ist der Auftraggeber verpflichtet, Bieter zur Erläuterung aufzufordern, wenn der Preis ungewöhnlich niedrig erscheint. Der EuGH („SAG ELV Slovensko“, C-599/10) hat klargestellt, dass ein Ausschluss ohne vorherige Aufklärung unzulässig ist. Unternehmen müssen ihre Kalkulation transparent darlegen und belegen, dass der Preis auskömmlich ist. Erst wenn die Erläuterungen nicht überzeugen, darf ein Ausschluss erfolgen. Damit wird sichergestellt, dass niedrige Preise nicht vorschnell ausgeschlossen, sondern fair geprüft werden.


    8. Welche Pflichten haben Unternehmen in Aufklärungsverhandlungen?

    Unternehmen müssen ihre Angaben präzisieren, ohne den Charakter ihres Angebots zu verändern. Sie sind verpflichtet, auf Nachfragen des Auftraggebers vollständig, korrekt und zeitnah zu antworten. Jede Abweichung vom ursprünglichen Angebot kann als unzulässige Änderung gewertet werden und zum Ausschluss führen (§ 57 VgV). Unternehmen sollten Aufklärungsverhandlungen daher juristisch prüfen und schriftlich dokumentieren, um spätere Missverständnisse zu vermeiden.


    9. Können Auftraggeber während der Aufklärung neue Unterlagen nachfordern?

    Grundsätzlich dürfen Auftraggeber fehlende Unterlagen nachfordern, solange dies keine unzulässige Angebotsänderung darstellt. § 56 VgV erlaubt Nachforderungen, die das Angebot lediglich ergänzen, aber nicht inhaltlich verändern. Der EuGH („Manova“) bestätigte, dass Nachforderungen nur zulässig sind, wenn sie den Wettbewerb nicht verfälschen. In der Praxis dürfen also Dokumente wie Nachweise oder Bescheinigungen nachgereicht werden, nicht aber geänderte Preisangaben oder technische Spezifikationen.


    10. Welche Risiken bestehen für Auftraggeber bei Aufklärungsverhandlungen?

    Das größte Risiko liegt in der Überschreitung der rechtlichen Grenzen. Führen Aufklärungsverhandlungen faktisch zu einer Angebotsänderung, wird das gesamte Verfahren angreifbar. Unternehmen können dann im Nachprüfungsverfahren nach §§ 160 ff. GWB die Rechtmäßigkeit anfechten. Zudem besteht das Risiko von Schadensersatzansprüchen nach § 181 GWB, wenn ein Bieter durch unzulässige Aufklärung benachteiligt wurde. Auftraggeber müssen daher Dokumentation und Gleichbehandlung besonders sorgfältig beachten.


    11. Welche Dokumentationspflichten bestehen bei Aufklärungsverhandlungen?

    Nach § 8 VgV sind Auftraggeber verpflichtet, alle wesentlichen Verfahrensschritte zu dokumentieren. Dazu gehören auch Aufklärungsverhandlungen, ihre Inhalte und Ergebnisse. Die Dokumentation muss nachvollziehbar darlegen, welche Fragen gestellt und welche Antworten gegeben wurden. Nur so können Vergabekammern und Gerichte prüfen, ob die Grenzen eingehalten wurden. Eine unzureichende Dokumentation macht die Aufklärung angreifbar und kann das Verfahren rechtswidrig werden lassen.


    12. Können Bieter Aufklärungsverhandlungen einklagen?

    Nein, Bieter haben keinen generellen Anspruch auf Aufklärungsverhandlungen. Allerdings besteht in bestimmten Konstellationen eine Aufklärungspflicht des Auftraggebers. Der BGH (X ZR 129/06) entschied, dass ein Ausschluss ohne vorherige Nachfrage unverhältnismäßig sein kann. Wird eine berechtigte Nachfrage unterlassen, können Bieter dies rügen (§ 160 Abs. 3 GWB) und ein Nachprüfungsverfahren einleiten. Ob eine Pflicht besteht, hängt vom Einzelfall ab und wird durch die Gerichte überprüft.


    13. Welche Rolle spielt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz?

    Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet Auftraggeber, Bieter nicht ohne zwingenden Grund auszuschließen. Wenn ein Angebot lediglich unklar, aber nicht unzulässig ist, muss eine Aufklärung erfolgen. Das OLG München (Verg 2/15) betonte, dass Auftraggeber zur Nachfrage verpflichtet sind, wenn sich Zweifel durch eine einfache Erläuterung ausräumen lassen. Damit wird gewährleistet, dass Ausschlüsse nur dann erfolgen, wenn sie rechtlich geboten sind.


    14. Welche Rechtsfolgen haben unzulässige Aufklärungsverhandlungen?

    Unzulässige Aufklärungsverhandlungen führen zur Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens. Unternehmen können dies nach §§ 160 ff. GWB angreifen und Schadensersatz nach § 181 GWB fordern. Das OLG Düsseldorf (VII-Verg 54/15) stellte klar, dass jede Überschreitung der Grenzen die Vergabeentscheidung anfechtbar macht. Die Folge ist häufig eine Wiederholung oder Aufhebung des gesamten Verfahrens. Für Auftraggeber entstehen dadurch erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Risiken.


    15. Können Aufklärungsverhandlungen diskriminierend eingesetzt werden?

    Nein, Aufklärungsverhandlungen müssen diskriminierungsfrei erfolgen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 2 GWB und Art. 18 RL 2014/24/EU verbietet, einzelnen Bietern Vorteile zu verschaffen. Werden nur ausgewählte Unternehmen zu Details befragt, liegt ein Verstoß vor. Gerichte prüfen streng, ob alle Bieter die gleichen Chancen zur Erläuterung hatten. Jede Diskriminierung macht das Verfahren rechtswidrig und angreifbar.


    16. Welche Bedeutung hat das EuGH-Urteil „Manova“ für Aufklärungsverhandlungen?

    Im Urteil „Manova“ (C-336/12) entschied der EuGH, dass Auftraggeber fehlende Nachweise nachfordern dürfen, wenn dies den Wettbewerb nicht verfälscht. Zugleich betonte er, dass Änderungen des Angebots selbst unzulässig sind. Dieses Urteil prägt die Abgrenzung zwischen Aufklärung und Nachbesserung bis heute. Es sichert den Bietern, dass Transparenz und Gleichbehandlung gewahrt bleiben, und verpflichtet Auftraggeber, den engen Rahmen strikt einzuhalten.


    17. Welche Rolle spielen Aufklärungsverhandlungen bei EU-weiten Ausschreibungen?

    Bei EU-weiten Ausschreibungen gelten die Vorgaben der Richtlinie 2014/24/EU unmittelbar. Art. 56 Abs. 3 erlaubt Erläuterungen, verbietet aber Änderungen wesentlicher Bestandteile. Auftraggeber müssen die europarechtlichen Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsätze besonders beachten, da Verstöße nicht nur national, sondern auch unionsrechtlich angreifbar sind. Unternehmen können sich daher auf einheitliche Maßstäbe innerhalb der EU verlassen.


    18. Können Unternehmen in Aufklärungsverhandlungen Preise anpassen?

    Nein, Preisänderungen sind ausdrücklich unzulässig. § 15 Abs. 5 VgV erlaubt lediglich Erläuterungen, nicht aber Anpassungen. Jede nachträgliche Änderung des Preises wäre eine unzulässige Nachverhandlung und würde das Verfahren rechtswidrig machen. Auftraggeber müssen solche Versuche ablehnen und gegebenenfalls das Angebot ausschließen. Damit wird die Integrität des Wettbewerbs gewahrt.


    19. Welche Bedeutung haben Aufklärungsverhandlungen für die Rechtssicherheit?

    Aufklärungsverhandlungen erhöhen die Rechtssicherheit, indem sie Missverständnisse aufklären und Transparenz schaffen. Gleichzeitig stellen sie aber ein Risiko dar, wenn die Grenzen überschritten werden. Nur eine sorgfältige Durchführung und Dokumentation gewährleisten, dass das Verfahren rechtssicher bleibt. Für Auftraggeber bedeutet dies eine hohe Verantwortung, während Unternehmen präzise Antworten geben müssen.


    20. Warum sind Aufklärungsverhandlungen für beide Seiten wichtig?

    Aufklärungsverhandlungen sind wichtig, weil sie Auftraggebern ermöglichen, unklare Angebote korrekt zu bewerten, und Unternehmen die Chance geben, Missverständnisse auszuräumen. Sie tragen damit zur Transparenz und Fairness des Vergabeverfahrens bei. Gleichzeitig bergen sie rechtliche Risiken, wenn die Grenzen überschritten werden. Für beide Seiten ist daher eine juristisch fundierte Vorbereitung unerlässlich, um Chancen zu nutzen und Risiken zu vermeiden.

    FAQ zur Angemessenheit des Angebots im Vergaberecht

      1. Was bedeutet die Angemessenheit des Angebots im Vergaberecht?

      Die Angemessenheit des Angebots bezeichnet die rechtliche Pflicht des Auftraggebers, sicherzustellen, dass das Angebot eines Bieters sowohl preislich als auch inhaltlich realistisch und rechtlich zulässig ist. Sie dient dem Schutz der öffentlichen Hand vor unseriösen Angeboten und dem Schutz der Bieter vor unfairer Konkurrenz. Rechtsgrundlagen finden sich in § 60 VgV, § 44 UVgO und Art. 69 Richtlinie 2014/24/EU. Ein Angebot gilt als unangemessen, wenn der Preis ungewöhnlich niedrig ist oder die Leistung objektiv nicht zu den angebotenen Konditionen erbracht werden kann. Auftraggeber müssen solche Angebote prüfen und dokumentieren, bevor sie sie ausschließen.


      2. Welche Rechtsgrundlagen regeln die Angemessenheit des Angebots?

      Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen sind § 60 VgV, § 44 UVgO, § 16d VOB/A sowie Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU. Diese Vorschriften verpflichten Auftraggeber, ungewöhnlich niedrige Angebote auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Ergänzend verpflichtet § 97 Abs. 2 GWB zur Wahrung von Transparenz und Gleichbehandlung. Der EuGH hat in mehreren Urteilen, darunter „SAG ELV Slovensko“ (C-599/10), klargestellt, dass Auftraggeber Bieter anhören müssen, bevor ein Ausschluss erfolgen darf. Damit ergibt sich aus dem Zusammenspiel nationaler und europäischer Vorschriften eine klare Prüfpflicht, die Auftraggeber weder ignorieren noch verkürzen dürfen.


      3. Wann muss ein Auftraggeber die Angemessenheit des Angebots prüfen?

      Eine Prüfung ist zwingend erforderlich, wenn ein Angebot im Verhältnis zu den anderen Angeboten oder zu den üblichen Marktpreisen ungewöhnlich niedrig erscheint (§ 60 Abs. 1 VgV). Auch qualitative Auffälligkeiten wie unrealistisch kurze Ausführungsfristen oder fehlende Kostenansätze lösen eine Prüfungspflicht aus. Der EuGH betont, dass Auftraggeber bereits bei Anhaltspunkten verpflichtet sind, eine Aufklärung einzuholen. Dies gilt unabhängig davon, ob andere Bieter eine Rüge erheben. Unterbleibt die Prüfung trotz bestehender Zweifel, ist das Vergabeverfahren rechtswidrig und im Nachprüfungsverfahren anfechtbar.


      4. Welche Rolle spielt § 60 VgV bei der Angemessenheit des Angebots?

      § 60 VgV normiert die Pflicht zur Preisprüfung bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten im Oberschwellenbereich. Auftraggeber müssen den betroffenen Bieter auffordern, seine Kalkulation zu erläutern, wenn Zweifel an der Angemessenheit bestehen. Der Bieter kann z. B. auf niedrigere Produktionskosten, besondere Effizienz oder Förderungen verweisen. Der Auftraggeber muss diese Angaben objektiv prüfen und dokumentieren. Erst wenn die Erklärung nicht plausibel ist oder Verstöße gegen Rechtsnormen erkennbar sind, darf ein Ausschluss erfolgen. § 60 VgV setzt damit die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 69 Richtlinie 2014/24/EU um.


      5. Was gilt für die Angemessenheit im Unterschwellenbereich nach UVgO?

      Unterhalb der EU-Schwellenwerte regelt § 44 UVgO die Angemessenheitsprüfung. Inhaltlich entspricht die Vorschrift § 60 VgV, sodass auch im Unterschwellenbereich ungewöhnlich niedrige Angebote überprüft werden müssen. Allerdings besteht hier kein förmlicher Rechtsschutz vor den Vergabekammern. Unternehmen können jedoch Schadensersatz nach §§ 280, 311 Abs. 2 BGB geltend machen oder die Fachaufsicht einschalten. Damit besteht auch im nationalen Bereich ein effektives Schutzinstrument, das Auftraggeber verpflichtet, die Angemessenheit sorgfältig zu prüfen und Bieter nicht ohne rechtliches Gehör auszuschließen.


      6. Wie prüft ein Auftraggeber die Angemessenheit des Angebotspreises?

      Der Auftraggeber fordert den Bieter gemäß § 60 VgV auf, den niedrigen Preis schriftlich zu erklären. Zulässige Begründungen können etwa effiziente Produktionsprozesse, günstigere Einkaufskonditionen, besondere technische Lösungen oder staatliche Subventionen sein. Der Auftraggeber muss diese Angaben auf Plausibilität prüfen und dokumentieren. Der EuGH („SAG ELV Slovensko“) verlangt, dass diese Prüfung objektiv und nachvollziehbar erfolgt. Bleiben die Zweifel bestehen oder sind die Erklärungen unzureichend, darf das Angebot ausgeschlossen werden. Eine pauschale Ablehnung ohne Prüfung ist unzulässig und rechtswidrig.


      7. Was passiert, wenn ein Angebot unangemessen niedrig ist?

      Erweist sich ein Angebot nach Prüfung als unangemessen niedrig und nicht tragfähig, darf der Auftraggeber es ausschließen (§ 60 Abs. 3 VgV). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Leistung bei den angegebenen Preisen nicht ordnungsgemäß erbracht werden kann oder gesetzliche Vorschriften verletzt würden. Der EuGH erlaubt den Ausschluss auch dann, wenn die Unangemessenheit auf Missachtung von Umwelt- oder Sozialstandards beruht. Der Ausschluss ist jedoch nur zulässig, wenn der Bieter zuvor rechtliches Gehör erhalten hat. Ohne Anhörung wäre der Ausschluss ein Verstoß gegen das Vergaberecht.


      8. Welche Bedeutung hat das Urteil „SAG ELV Slovensko“ für die Angemessenheit?

      In der Rechtssache C-599/10 „SAG ELV Slovensko“ stellte der EuGH klar, dass Auftraggeber bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten eine Aufklärungspflicht trifft. Sie müssen den betroffenen Bieter anhören und dessen Erklärungen objektiv prüfen. Ein Ausschluss ohne vorherige Anhörung verstößt gegen den Transparenzgrundsatz und die unionsrechtliche Gleichbehandlungspflicht. Dieses Urteil hat die Anforderungen an die Angemessenheitsprüfung verschärft und in Deutschland zur klaren Normierung in § 60 VgV geführt. Damit ist heute verbindlich geregelt, dass der Ausschluss ungewöhnlich niedriger Angebote nur nach sorgfältiger Prüfung zulässig ist.


      9. Welche Dokumentationspflichten bestehen bei der Angemessenheitsprüfung?

      § 8 VgV und § 7 UVgO verpflichten Auftraggeber, die Prüfung der Angemessenheit vollständig zu dokumentieren. Dies umfasst die Aufforderung an den Bieter, die vorgelegten Erklärungen, die Bewertung durch die Vergabestelle und die abschließende Entscheidung. Der BGH (X ZR 97/19) hat hervorgehoben, dass eine unzureichende Dokumentation die Rechtmäßigkeit des Verfahrens gefährdet. Unternehmen haben Anspruch auf Einsicht in die Dokumentation, soweit dies zur Wahrung ihrer Rechte erforderlich ist. Eine lückenhafte Dokumentation macht das Vergabeverfahren angreifbar und kann zur Aufhebung durch die Vergabekammer führen.


      10. Können qualitative Aspekte zur Unangemessenheit führen?

      Ja, qualitative oder technische Aspekte können ebenfalls ein Angebot unangemessen machen. § 60 Abs. 2 VgV sieht ausdrücklich vor, dass Angebote ausgeschlossen werden können, wenn sie gegen geltende Umwelt-, Sozial- oder Arbeitsrechtsnormen verstoßen. Auch eine technisch unrealistische Leistungserbringung kann zur Unangemessenheit führen. Der BGH (X ZR 78/07) hat entschieden, dass Angebote ausgeschlossen werden dürfen, die objektiv nicht erfüllbar sind. Auftraggeber müssen daher nicht nur Preise, sondern auch die technische und qualitative Machbarkeit prüfen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie realistische und rechtlich einwandfreie Leistungen anbieten müssen.


      11. Welche Rolle spielt die EU-Richtlinie 2014/24/EU?

      Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU schreibt den Mitgliedstaaten verbindlich vor, ungewöhnlich niedrige Angebote zu prüfen. Sie betont die Pflicht zur Anhörung des betroffenen Bieters und nennt mögliche Gründe für niedrige Preise, wie effiziente Verfahren oder technische Lösungen. Gleichzeitig erlaubt sie den Ausschluss, wenn die Unangemessenheit auf Gesetzesverstößen beruht. Deutschland hat diese Vorgaben in § 60 VgV umgesetzt. Der EuGH überwacht die einheitliche Anwendung und stellt sicher, dass Bieter europaweit vergleichbaren Rechtsschutz genießen. Damit ist die Richtlinie der zentrale unionsrechtliche Rahmen für die Angemessenheitsprüfung.


      12. Was passiert, wenn die Angemessenheit nicht geprüft wird?

      Unterlässt ein Auftraggeber trotz Verdachts die Prüfung, liegt ein Verstoß gegen § 60 VgV und Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU vor. Dies macht die Zuschlagsentscheidung rechtswidrig und eröffnet unterlegenen Bietern die Möglichkeit, ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten (§ 160 GWB). Das OLG Düsseldorf (Verg 24/18) hat klargestellt, dass eine unterlassene Prüfung zur Aufhebung der Vergabe führt. Auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche sind denkbar, wenn ein Unternehmen ohne Prüfung ausgeschlossen wurde. Auftraggeber sind daher verpflichtet, jeden Verdacht ernst zu nehmen und die Prüfung lückenlos durchzuführen.


      13. Welche Rechte haben Unternehmen bei einer Angemessenheitsprüfung?

      Unternehmen haben das Recht, angehört zu werden und ihre Preise zu erläutern, wenn Zweifel an der Angemessenheit bestehen. § 60 Abs. 1 Satz 2 VgV verpflichtet Auftraggeber, Bietern rechtliches Gehör zu gewähren. Der EuGH („SAG ELV Slovensko“) hat dies ausdrücklich bestätigt. Unternehmen können ihre Kalkulationen durch Effizienzvorteile, Skaleneffekte oder andere legitime Gründe erklären. Wird das Angebot dennoch ausgeschlossen, haben Unternehmen die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen und ein Nachprüfungsverfahren zu führen. Damit ist die Angemessenheitsprüfung ein Instrument, das nicht nur Auftraggeber, sondern auch die Rechte der Unternehmen schützt.


      14. Dürfen Angebote allein wegen niedriger Preise ausgeschlossen werden?

      Nein, ein Ausschluss allein aufgrund niedriger Preise ist unzulässig. Auftraggeber müssen dem betroffenen Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme geben (§ 60 Abs. 1 VgV). Der EuGH (C-599/10) betont, dass ein pauschaler Ausschluss ohne Anhörung gegen den Transparenzgrundsatz verstößt. Nur wenn die Erklärung unzureichend ist oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften bestehen, ist ein Ausschluss möglich. Niedrige Preise können also durchaus angemessen sein, wenn sie plausibel begründet werden. Auftraggeber dürfen Angebote daher nicht vorschnell ausschließen, sondern müssen stets eine objektive Prüfung vornehmen.


      15. Welche Folgen hat ein Ausschluss wegen Unangemessenheit?

      Ein Ausschluss wegen Unangemessenheit führt dazu, dass das betroffene Unternehmen nicht weiter am Verfahren teilnimmt. Dies ist rechtlich nur zulässig, wenn die Prüfung nach § 60 VgV ordnungsgemäß durchgeführt und dokumentiert wurde. Wird ein Unternehmen zu Unrecht ausgeschlossen, kann es ein Nachprüfungsverfahren anstrengen oder Schadensersatz geltend machen (§ 181 GWB). Der Ausschluss hat für Auftraggeber erhebliche Risiken, wenn er nicht rechtssicher erfolgt. Daher ist eine sorgfältige Prüfung und Begründung zwingend erforderlich. Unternehmen können ihre Rechte effektiv verteidigen, wenn der Ausschluss nicht auf einer plausiblen Grundlage beruht.


      16. Welche Pflichten hat der Auftraggeber bei der Angemessenheitsprüfung?

      Auftraggeber müssen nach § 60 VgV und § 44 UVgO alle Angebote auf ihre Angemessenheit prüfen, wenn Anzeichen für Unangemessenheit vorliegen. Sie sind verpflichtet, den betroffenen Bieter anzuhören, seine Erklärung objektiv zu bewerten und das Ergebnis zu dokumentieren. Zudem müssen sie prüfen, ob das Angebot gegen Umwelt-, Sozial- oder Arbeitsrecht verstößt. Der EuGH betont, dass diese Pflichten unionsrechtlich verankert sind und nicht verkürzt werden dürfen. Unterlassen Auftraggeber diese Prüfung, riskieren sie nicht nur die Aufhebung des Verfahrens, sondern auch Beanstandungen durch Rechnungshöfe oder Aufsichtsbehörden.


      17. Wie können Unternehmen gegen eine fehlerhafte Prüfung vorgehen?

      Unternehmen können gegen eine fehlerhafte Prüfung oberhalb der Schwellenwerte ein Nachprüfungsverfahren nach §§ 155 ff. GWB einleiten. Voraussetzung ist eine Rüge gemäß § 160 Abs. 3 GWB innerhalb von zehn Tagen. Unterhalb der Schwellenwerte können Unternehmen Schadensersatz nach §§ 280, 311 Abs. 2 BGB geltend machen. Zudem können sie die Fachaufsicht einschalten. Die Rechtsprechung zeigt, dass fehlerhafte Prüfungen regelmäßig zur Aufhebung der Vergabe führen. Unternehmen sollten daher Verstöße frühzeitig rügen und notfalls rechtliche Schritte einleiten, um ihre Rechte zu sichern.


      18. Welche Bedeutung hat die Lebenszykluskostenbetrachtung bei der Angemessenheit?

      Die Lebenszykluskostenbetrachtung nach § 59 VgV ermöglicht es Auftraggebern, nicht nur den Anschaffungspreis, sondern auch Betriebskosten, Energieverbrauch und Entsorgungskosten zu berücksichtigen. Dies führt zu einer realistischen Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Angemessenheit eines Angebots. Ein Angebot kann unangemessen sein, wenn es zwar einen niedrigen Anschaffungspreis, aber extrem hohe Folgekosten verursacht. Der EuGH erlaubt ausdrücklich die Berücksichtigung solcher Kriterien, sofern sie mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Unternehmen sollten daher ihre Kalkulationen auch im Hinblick auf Lebenszykluskosten plausibel darlegen.


      19. Welche Risiken bestehen für Auftraggeber bei Nichtbeachtung der Angemessenheit?

      Wenn Auftraggeber die Angemessenheit nicht prüfen, riskieren sie die Rechtswidrigkeit der Vergabe. Unterlegene Bieter können ein Nachprüfungsverfahren einleiten, und Gerichte oder Vergabekammern heben die Vergabe regelmäßig auf. Zudem drohen Beanstandungen durch Rechnungshöfe, Schadensersatzforderungen (§ 181 GWB) und Verzögerungen bei der Projektdurchführung. Auch der Verlust von Fördermitteln ist möglich, wenn die Vergabevorschriften nicht eingehalten werden. Auftraggeber müssen daher die Angemessenheit sorgfältig prüfen und dokumentieren, um rechtliche und wirtschaftliche Risiken zu vermeiden.


      20. Warum ist die Angemessenheit des Angebots für Unternehmen wichtig?

      Für Unternehmen ist die Angemessenheit entscheidend, weil sie sicherstellt, dass Wettbewerber keine unrealistischen Dumpingpreise anbieten können. Sie schützt vor unfairer Konkurrenz und gewährleistet faire Marktbedingungen. Unternehmen können sich darauf verlassen, dass Auftraggeber ungewöhnlich niedrige Angebote prüfen und unfaire Praktiken unterbinden. Gleichzeitig haben sie das Recht, ihre eigenen günstigen Preise plausibel zu erläutern und damit am Verfahren teilzunehmen. Die Angemessenheit ist somit ein Schutzinstrument für redliche Anbieter und ein zentrales Element des fairen Wettbewerbs im Vergaberecht.