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Auftragnehmer im Vergaberecht: Rechte und Pflichten

Der Auftragnehmer als Vertragspartner der öffentlichen Hand

Der Auftragnehmer ist im Vergaberecht die zentrale Figur, die nach Zuschlagserteilung durch den öffentlichen Auftraggeber die ausgeschriebenen Leistungen übernimmt. Seine Stellung ist sowohl funktional als auch rechtlich von höchster Relevanz, da er sich in einem Spannungsfeld zwischen Vergaberecht, Zivilrecht und europarechtlichen Vorgaben bewegt. Rechtsgrundlagen finden sich in den §§ 145 ff. BGB, §§ 97 ff. GWB, in der Vergabeverordnung (VgV) sowie in der Richtlinie 2014/24/EU. Der EuGH verwendet hierfür den Begriff „Wirtschaftsteilnehmer“ (Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 RL 2014/24/EU), der weit gefasst ist und auch kleine und mittlere Unternehmen sowie Bietergemeinschaften einschließt. Für Auftragnehmer bedeutet dies, dass sie nicht nur Vertragspartner sind, sondern auch Träger besonderer Rechte und Pflichten, die von der Vertragserfüllung bis zum vergaberechtlichen Rechtsschutz reichen.

Europarechtliche Grundlagen: Der Auftragnehmer als Wirtschaftsteilnehmer

Die EU-Richtlinie 2014/24/EU bezeichnet Auftragnehmer als „Wirtschaftsteilnehmer“ und umfasst damit natürliche Personen, juristische Personen sowie jede Organisation, die Leistungen auf dem Markt anbietet. Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie stellt klar, dass alle Wirtschaftsteilnehmer gleichbehandelt werden müssen, unabhängig von ihrer Rechtsform. Der EuGH hat in „Wall“ (C-91/08) betont, dass Auftragnehmer unionsrechtlich diskriminierungsfrei behandelt werden müssen und effektiver Rechtsschutz nach Art. 47 EU-Grundrechtecharta sicherzustellen ist. In „Gebroeders Beentjes“ (C-31/87) entschied der EuGH, dass Auftragnehmerrechte unmittelbar aus den Grundfreiheiten folgen. Damit wird deutlich, dass Auftragnehmerbegriff und Rechte europarechtlich weit gefasst sind, um auch kleinen Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu ermöglichen.

Nationale Regelung: Auftragnehmer im GWB und der VgV

In Deutschland ergibt sich der Auftragnehmerbegriff mittelbar aus den Vorschriften des GWB und der VgV. Nach § 97 Abs. 1 GWB ist es Zweck des Vergaberechts, Aufträge im Wettbewerb und unter Gleichbehandlung zu vergeben. Auftragnehmer ist damit das Unternehmen, das nach Zuschlagserteilung den Auftrag erhält und die Leistung erbringt. Ergänzend greifen die Vorschriften des BGB, insbesondere §§ 631, 241 ff. BGB, da der öffentliche Auftrag als zivilrechtlicher Werk- oder Dienstvertrag einzuordnen ist. Diese Doppelrolle macht deutlich, dass Auftragnehmer einerseits durch das Vergaberecht geschützt sind, andererseits aber den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts unterliegen. In der Praxis bedeutet dies, dass sie nicht nur mit vergaberechtlichen Fristen und Rügen vertraut sein müssen, sondern auch mit klassischen zivilrechtlichen Instrumenten wie Schadensersatz (§ 280 BGB) oder Kündigungsrechten (§ 649 BGB).

Rechte des Auftragnehmers nach Zuschlagserteilung

Mit Zuschlagserteilung (§ 132 GWB) wird der Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wirksam. Der Auftragnehmer hat Anspruch auf die vereinbarte Vergütung (§ 631 BGB) sowie auf eine vertragsgemäße Durchführung ohne unzulässige Änderungen. Er kann Nachträge geltend machen, wenn zusätzliche Leistungen erforderlich sind und die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 GWB erfüllt sind. Der BGH (Urteil vom 10.05.2016 – X ZR 66/15) stellte klar, dass Auftragnehmer nicht verpflichtet sind, vergaberechtswidrige Änderungen zu akzeptieren. Zudem haben sie Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, wenn der Auftraggeber den Vertrag unzulässig kündigt oder die Bedingungen einseitig ändert. Für Unternehmen ist es daher wichtig, jede Vertragsänderung sorgfältig zu prüfen, um ihre Rechte nicht zu verlieren.

Pflichten des Auftragnehmers im Vergabeverhältnis

Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die ausgeschriebene Leistung ordnungsgemäß, vollständig und fristgerecht zu erbringen (§ 241 Abs. 1 BGB). Besondere Pflichten ergeben sich aus dem Vergaberecht: Er muss technische Spezifikationen einhalten (§ 31 VgV), arbeits- und sozialrechtliche Standards berücksichtigen (§ 128 GWB) und die in den Vergabeunterlagen festgelegten Bedingungen beachten. Zudem darf er Subunternehmer nur mit Zustimmung des Auftraggebers einsetzen (§ 36 VgV). In der Praxis heißt das, dass Auftragnehmer Compliance- und Nachweisstrukturen schaffen müssen, um ihren Pflichten nachzukommen. Verstöße führen nicht nur zu Vertragsstrafen oder Schadensersatzforderungen, sondern können auch nach § 124 GWB zum Ausschluss von zukünftigen Vergabeverfahren führen.

Der Auftragnehmer und Subunternehmer im Vergaberecht

Viele Auftragnehmer setzen Subunternehmer ein, insbesondere bei Bau- und Infrastrukturprojekten. Nach § 36 VgV ist dies zulässig, muss aber transparent offengelegt werden. Der Auftraggeber kann den Einsatz untersagen, wenn Zweifel an der Eignung bestehen. Der EuGH (C-406/14 „Wrocław – Elektrobudowa“) entschied, dass Auftragnehmer ihre Subunternehmer frei wählen dürfen, solange Transparenz und Gleichbehandlung gewährleistet sind. Praktisch bedeutet das: Auftragnehmer müssen nicht nur Verträge mit Subunternehmern schließen, sondern auch deren Zuverlässigkeit und Einhaltung vergaberechtlicher Standards überwachen. Jeder Fehler eines Subunternehmers wird dem Hauptauftragnehmer zugerechnet – ein erhebliches Risiko, das sorgfältige Auswahlprozesse erforderlich macht.

Auftragnehmerrechte bei Vertragsänderungen

Vertragsänderungen während der Leistungserbringung sind nur unter engen Voraussetzungen zulässig (§ 132 GWB). Auftragnehmer haben das Recht, unzulässige Änderungen abzulehnen und im Zweifel Rechtsschutz zu suchen. Gleichzeitig können sie Nachtragsvergütung beanspruchen, wenn zusätzliche Leistungen erforderlich werden und die Änderung vergaberechtlich zulässig ist. Der EuGH („Pressetext“, C-454/06) stellte fest, dass jede wesentliche Änderung eine neue Ausschreibung erforderlich macht. Für Auftragnehmer ist es daher entscheidend, frühzeitig zu prüfen, ob Vertragsänderungen innerhalb des rechtlichen Rahmens bleiben oder ihre Rechte verletzen. Ein proaktives Nachtragsmanagement gehört deshalb zur professionellen Vertragspraxis.

Vergaberechtlicher Rechtsschutz für Auftragnehmer

Auftragnehmer haben Anspruch auf umfassenden Rechtsschutz. Vor Zuschlag können sie nach §§ 160 ff. GWB Vergabeverstöße rügen und im Nachprüfungsverfahren geltend machen. Nach Zuschlag bleibt ihnen der Zivilrechtsweg offen, etwa für Schadensersatz (§§ 280, 281 BGB) oder für Ansprüche aus § 631 BGB. Der EuGH hat wiederholt betont, dass effektiver Rechtsschutz ein unverzichtbarer Bestandteil des Binnenmarkts ist (z. B. Rs. C-54/96 „Dorsch Consult“). Für Auftragnehmer ist es daher entscheidend, Fristen einzuhalten und frühzeitig anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um ihre Rechte wirksam durchzusetzen.

Auftragnehmer im europäischen Binnenmarkt

Der Auftragnehmer ist nicht nur nationaler Vertragspartner, sondern auch Teil des europäischen Binnenmarkts. Art. 56 AEUV garantiert die Dienstleistungsfreiheit, sodass Auftragnehmer aus allen Mitgliedstaaten gleichberechtigt teilnehmen dürfen. Nationale Regelungen, die den Zugang für ausländische Auftragnehmer beschränken, sind unionsrechtswidrig. In „Gebroeders Beentjes“ (C-31/87) stellte der EuGH klar, dass Auftragnehmerrechte unmittelbar aus den Grundfreiheiten abgeleitet werden können. Dies schützt Unternehmen davor, aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt zu werden, und stärkt insbesondere kleine und mittelständische Auftragnehmer, die grenzüberschreitend tätig werden wollen.

Fazit: Der Auftragnehmer als unverzichtbarer Partner im Vergaberecht

Der Auftragnehmer ist die Schlüsselfigur im Vergaberecht: Er bringt die ausgeschriebenen Leistungen zur Ausführung und trägt die Verantwortung für ihre ordnungsgemäße Erfüllung. Unionsrechtlich als „Wirtschaftsteilnehmer“ definiert, genießt er Schutz durch Gleichbehandlungs- und Transparenzpflichten. National ist er Vertragspartner nach Zuschlagserteilung und den allgemeinen Regeln des BGB unterworfen. Seine Rechte umfassen Vergütung, Nachträge und Rechtsschutz, während seine Pflichten sich auf Leistungserbringung, Subunternehmerkontrolle und Einhaltung sozialer Standards erstrecken. Wer seine Rolle als Auftragnehmer juristisch präzise versteht, minimiert Risiken und sichert wirtschaftlichen Erfolg.

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FAQ zum Auftragnehmer im Vergaberecht

    1. Wer ist Auftragnehmer im vergaberechtlichen Sinn?

    Der Auftragnehmer ist das Unternehmen oder die juristische Person, die nach Zuschlagserteilung durch den öffentlichen Auftraggeber den ausgeschriebenen Auftrag übernimmt. Rechtlich betrachtet tritt der Auftragnehmer damit in ein Vertragsverhältnis ein, das zivilrechtlich durch die §§ 145 ff. BGB geprägt ist, zugleich aber den strengen Anforderungen des Vergaberechts unterliegt. Europarechtlich wird der Auftragnehmer als „Wirtschaftsteilnehmer“ in Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 RL 2014/24/EU bezeichnet, wodurch auch natürliche Personen oder Zusammenschlüsse wie Bietergemeinschaften erfasst werden. Entscheidend ist, dass der Auftragnehmer die Leistungspflichten aus dem Vergabevertrag übernimmt und damit sowohl zivilrechtliche als auch vergaberechtliche Pflichten zu erfüllen hat.


    2. Welche Pflichten hat ein Auftragnehmer nach Zuschlagserteilung?

    Mit Zuschlagserteilung ist der Auftragnehmer verpflichtet, die vereinbarte Leistung ordnungsgemäß, vollständig und innerhalb der festgelegten Fristen zu erbringen. Diese Pflicht ergibt sich sowohl aus dem geschlossenen Vertrag als auch aus den vergaberechtlichen Vorschriften, insbesondere den §§ 31, 36 und 128 GWB sowie den Vorgaben der VgV. Auftragnehmer müssen sicherstellen, dass Subunternehmer transparent benannt und genehmigt werden, dass soziale und arbeitsrechtliche Standards eingehalten werden und dass sie die vertraglich vereinbarten technischen Spezifikationen erfüllen. Verstöße gegen diese Pflichten können nicht nur zivilrechtliche Schadensersatzansprüche (§ 280 BGB), sondern auch vergaberechtliche Sanktionen wie Vertragsauflösung oder Ausschluss aus zukünftigen Verfahren nach sich ziehen.


    3. Welche Rechte hat ein Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber?

    Der Auftragnehmer hat Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung sowie auf eine diskriminierungsfreie Behandlung während der Vertragsdurchführung. Zudem stehen ihm Rechte auf Nachtragsvergütung zu, wenn sich der Auftragsinhalt aufgrund zulässiger Vertragsänderungen nach § 132 GWB erweitert. Der BGH (X ZR 66/15) hat klargestellt, dass Auftragnehmer nicht verpflichtet sind, vergaberechtswidrige Änderungen hinzunehmen, sondern Rechtsschutz beanspruchen können. Darüber hinaus haben Auftragnehmer das Recht, sich gegen unzulässige Kündigungen oder Vertragsauflösungen zur Wehr zu setzen und gegebenenfalls Schadensersatz einzuklagen.


    4. Wie wird der Auftragnehmer im europäischen Recht definiert?

    Die EU-Richtlinie 2014/24/EU verwendet den Begriff „Wirtschaftsteilnehmer“, der in Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 definiert wird. Darunter fallen natürliche Personen, juristische Personen sowie Zusammenschlüsse, die Leistungen auf dem Markt anbieten. Der EuGH hat in mehreren Urteilen, etwa in „Wall“ (C-91/08), betont, dass Auftragnehmer unionsrechtlich diskriminierungsfrei behandelt werden müssen. Damit wird sichergestellt, dass auch kleinere Unternehmen, Freiberufler oder internationale Gesellschaften den Status eines Auftragnehmers einnehmen können, sofern sie erfolgreich einen Zuschlag erhalten.


    5. Welche Rolle spielen Subunternehmer für den Auftragnehmer?

    Subunternehmer sind häufig Teil der Vertragserfüllung, insbesondere bei komplexen Projekten. Nach § 36 VgV ist der Einsatz von Subunternehmern grundsätzlich zulässig, muss jedoch offengelegt und vom Auftraggeber genehmigt werden. Auftragnehmer bleiben trotz Einschaltung von Subunternehmern voll verantwortlich für die Vertragserfüllung. Der EuGH (C-406/14 „Wrocław“) entschied, dass Auftragnehmer frei in der Wahl ihrer Subunternehmer sind, solange Transparenz und Gleichbehandlung gewahrt bleiben. Für Auftragnehmer bedeutet dies, dass sie sorgfältig prüfen müssen, ob Subunternehmer alle rechtlichen Anforderungen erfüllen und die Leistungen in gleicher Qualität erbringen.


    6. Welche Bedeutung haben Vertragsänderungen für den Auftragnehmer?

    Vertragsänderungen während der Auftragsdurchführung sind sensibel, da sie nach § 132 GWB nur unter engen Voraussetzungen zulässig sind. Auftragnehmer können Nachtragsansprüche geltend machen, wenn zusätzliche Leistungen erforderlich werden, die im ursprünglichen Vertrag nicht vorgesehen waren, und die Änderungen vergaberechtlich erlaubt sind. Der EuGH hat im „Pressetext“-Urteil (C-454/06) klargestellt, dass wesentliche Änderungen eine neue Ausschreibung erforderlich machen. Auftragnehmer haben daher ein Recht auf rechtmäßige Vertragsdurchführung und können gegen unzulässige Änderungen vorgehen, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu schützen.


    7. Wie wird der Auftragnehmer vergütet?

    Die Vergütung des Auftragnehmers richtet sich nach dem abgeschlossenen Vertrag, der häufig auf den Vorgaben der VOB/B oder VOL/B basiert. Der Anspruch auf Vergütung ergibt sich aus § 631 BGB, ergänzt durch die vergaberechtlichen Vorgaben zur Preisgestaltung. Auftragnehmer haben zudem das Recht auf Abschlagszahlungen nach § 632a BGB, wenn Teilleistungen erbracht wurden. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die Zahlungen pünktlich und ohne diskriminierende Verzögerungen zu leisten. Unzulässige Abzüge oder nachträgliche Änderungen an der Vergütung verstoßen gegen § 97 Abs. 1 GWB und die unionsrechtlichen Transparenzgrundsätze.


    8. Welche Haftung trifft den Auftragnehmer?

    Der Auftragnehmer haftet für die ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags, einschließlich Mängeln und Verzug. Grundlage sind die §§ 280 ff. BGB sowie die speziellen Regelungen der VOB/B, wenn diese vereinbart sind. Haftungsrisiken entstehen insbesondere durch Leistungsstörungen, falsche Angaben oder unzureichende Qualität. Auftragnehmer sind zudem verpflichtet, für Subunternehmer einzustehen, die in ihrem Auftrag handeln. Nach Art. 18 RL 2014/24/EU sind sie auch zur Einhaltung sozialer und umweltbezogener Standards verpflichtet. Verstöße können zur Vertragskündigung oder zu Schadensersatzforderungen führen.


    9. Welche Rechte hat der Auftragnehmer bei Kündigung durch den Auftraggeber?

    Wird der Vertrag vom Auftraggeber gekündigt, hat der Auftragnehmer Anspruch auf Vergütung der bis dahin erbrachten Leistungen sowie auf Ersatz der ihm entstandenen Kosten (§ 649 BGB). Erfolgt die Kündigung aus vergaberechtswidrigen Gründen, können darüber hinaus Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Der BGH hat klargestellt, dass Auftragnehmer nicht verpflichtet sind, eine rechtswidrige Kündigung widerspruchslos hinzunehmen. Sie können den Rechtsweg beschreiten, um ihre Ansprüche durchzusetzen.


    10. Welche Rolle spielt der Auftragnehmer im Unterschwellenbereich?

    Auch im Unterschwellenbereich gilt der Auftragnehmer als Vertragspartner, der nach Zuschlagserteilung den Auftrag übernimmt. Maßgeblich sind hier die Vorschriften der UVgO, die ähnliche Regelungen wie die VgV enthalten. Auftragnehmer haben auch hier Anspruch auf Gleichbehandlung und Transparenz, wie sie in § 97 GWB normiert sind. Die Unterschiede liegen vor allem in den vereinfachten Verfahren. Dennoch bleibt die Rolle des Auftragnehmers identisch: Er übernimmt die Leistungserbringung und genießt Rechtsschutz gegen vergaberechtswidrige Änderungen oder Ausschlüsse.


    11. Welche Mitwirkungspflichten hat der Auftragnehmer?

    Der Auftragnehmer ist verpflichtet, aktiv an der Vertragserfüllung mitzuwirken, indem er erforderliche Unterlagen, Nachweise und Informationen rechtzeitig bereitstellt. Nach § 15 VgV kann der Auftraggeber Aufklärungen verlangen, die der Auftragnehmer sachlich und vollständig zu beantworten hat. Zudem muss er Subunternehmer offenlegen und deren Eignung belegen (§ 36 VgV). Auch die Einhaltung von Compliance- und Antikorruptionsvorschriften zählt zu den Mitwirkungspflichten. Eine Verletzung kann zu Vertragsstrafen oder zur Kündigung führen.


    12. Welche Bedeutung hat die DSGVO für Auftragnehmer?

    Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) spielt für Auftragnehmer eine wichtige Rolle, wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden. Auftragnehmer gelten dann häufig als „Auftragsverarbeiter“ im Sinne von Art. 28 DSGVO. Sie sind verpflichtet, die Weisungen des Auftraggebers einzuhalten und technische sowie organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten umzusetzen. Verstöße können nicht nur Bußgelder, sondern auch vergaberechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, da die Einhaltung von Datenschutzstandards Teil der Eignungsprüfung sein kann (§ 122 GWB).


    13. Welche Rolle spielt der Auftragnehmer bei Bietergemeinschaften?

    Bei Bietergemeinschaften wird der Zuschlag auf die Gemeinschaft erteilt, sodass die Mitglieder gesamtschuldnerisch als Auftragnehmer auftreten. Nach § 43 VgV müssen Bietergemeinschaften erklären, dass sie im Auftragsfall solidarisch haften. Für Auftragnehmer bedeutet dies, dass sie nicht nur für ihren eigenen Leistungsanteil, sondern auch für die Vertragserfüllung der übrigen Mitglieder haften. Die Rechtsprechung verlangt klare gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen, um die Pflichten der Mitglieder transparent zu regeln.


    14. Welche Bedeutung hat die Vergabetransparenz für Auftragnehmer?

    Transparenz ist ein zentrales Schutzinstrument für Auftragnehmer. Sie müssen darauf vertrauen können, dass die Kriterien für Zuschlag und Vertragsdurchführung klar und nachvollziehbar sind (§ 97 Abs. 1 GWB, Art. 18 RL 2014/24/EU). Auftragnehmer können Entscheidungen anfechten, wenn Transparenzpflichten verletzt wurden, etwa durch unklare Zuschlagskriterien oder fehlende Begründungen (§ 134 GWB). Für Unternehmen bietet die Transparenzpflicht die Grundlage, ihre Rechte effektiv wahrzunehmen und Vertrauen in die Vergabeprozesse zu entwickeln.


    15. Welche Risiken bestehen für Auftragnehmer bei fehlerhaften Vergaben?

    Wird ein Auftragnehmer auf Grundlage eines vergaberechtswidrigen Verfahrens ausgewählt, drohen erhebliche Risiken. Nach § 135 GWB ist der Vertrag nichtig, wenn er unter Verstoß gegen wesentliche Vergaberegeln geschlossen wurde. Auftragnehmer können dadurch ihre vertraglichen Ansprüche verlieren. Der BGH hat jedoch betont, dass ein Auftragnehmer, der gutgläubig handelte, Ersatz seiner Aufwendungen geltend machen kann. Dennoch besteht ein erhebliches Risiko wirtschaftlicher Verluste, wenn sich nachträglich Vergabefehler herausstellen.


    16. Welche Rechte hat der Auftragnehmer bei Zahlungsverzug des Auftraggebers?

    Kommt der Auftraggeber in Zahlungsverzug, hat der Auftragnehmer Anspruch auf Verzugszinsen nach § 288 BGB sowie auf Ersatz des Verzugsschadens. Zudem kann er unter Umständen den Vertrag kündigen, wenn die Zahlungen dauerhaft ausbleiben. Im Vergaberecht spielt die pünktliche Vergütung eine besondere Rolle, da Auftragnehmer häufig hohe Vorleistungen erbringen müssen. Der EuGH hat in der Rechtssache C-306/06 betont, dass verspätete Zahlungen öffentlicher Stellen die Wettbewerbsfreiheit gefährden können.


    17. Welche Bedeutung haben Nachhaltigkeitskriterien für Auftragnehmer?

    Nachhaltigkeitskriterien gewinnen im Vergaberecht zunehmend an Bedeutung. Nach § 97 Abs. 3 GWB können Auftraggeber ökologische und soziale Aspekte als Zuschlagskriterien berücksichtigen. Für Auftragnehmer bedeutet dies, dass sie entsprechende Nachweise erbringen und ihre Leistungserbringung anpassen müssen. Der EuGH hat bestätigt, dass solche Kriterien zulässig sind, solange sie mit dem Auftragsgegenstand verbunden und transparent bekannt gemacht wurden. Auftragnehmer müssen daher in der Lage sein, Nachhaltigkeitsanforderungen rechtssicher umzusetzen.


    18. Welche Folgen hat eine Pflichtverletzung des Auftragnehmers?

    Verletzt der Auftragnehmer seine Pflichten, drohen vertragliche und vergaberechtliche Sanktionen. Vertraglich ergeben sich Ansprüche aus §§ 280 ff. BGB sowie den speziellen Regelungen der VOB/B, etwa Schadensersatz oder Vertragsstrafen. Vergaberechtlich kann ein Auftragnehmer bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen nach § 124 GWB von zukünftigen Verfahren ausgeschlossen werden. Beispiele sind erhebliche Leistungsstörungen oder Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorschriften. Damit können Pflichtverletzungen nicht nur den konkreten Vertrag, sondern auch die künftige Wettbewerbsfähigkeit gefährden.


    19. Welche Rolle spielt die Gleichbehandlungspflicht für Auftragnehmer?

    Der Grundsatz der Gleichbehandlung schützt Auftragnehmer sowohl im Vergabeverfahren als auch in der Vertragsdurchführung. Nach § 97 Abs. 2 GWB und Art. 18 RL 2014/24/EU dürfen Auftraggeber einzelne Auftragnehmer nicht bevorzugen oder benachteiligen. Dies gilt insbesondere bei Vertragsänderungen, Aufklärungsverhandlungen und Nachträgen. Auftragnehmer haben das Recht, gegen diskriminierende Maßnahmen vorzugehen und Rechtsschutz nach §§ 160 ff. GWB in Anspruch zu nehmen.


    20. Warum ist die Rolle des Auftragnehmers im Vergaberecht so bedeutend?

    Der Auftragnehmer ist die zentrale Figur, die die vom Auftraggeber ausgeschriebenen Leistungen tatsächlich umsetzt. Ohne ihn wäre das Vergaberecht wirkungslos. Seine Rechte und Pflichten sind eng mit den Grundsätzen von Transparenz, Gleichbehandlung und Wettbewerb verknüpft. Der Auftragnehmer trägt nicht nur Verantwortung für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung, sondern genießt zugleich umfassenden Rechtsschutz. Die europäische und nationale Rechtsprechung sichern seine Position und gewährleisten, dass er als gleichwertiger Partner im Vergabeverhältnis agiert.

    FAQ zur Angemessenheit des Angebots im Vergaberecht

      1. Was bedeutet die Angemessenheit des Angebots im Vergaberecht?

      Die Angemessenheit des Angebots bezeichnet die rechtliche Pflicht des Auftraggebers, sicherzustellen, dass das Angebot eines Bieters sowohl preislich als auch inhaltlich realistisch und rechtlich zulässig ist. Sie dient dem Schutz der öffentlichen Hand vor unseriösen Angeboten und dem Schutz der Bieter vor unfairer Konkurrenz. Rechtsgrundlagen finden sich in § 60 VgV, § 44 UVgO und Art. 69 Richtlinie 2014/24/EU. Ein Angebot gilt als unangemessen, wenn der Preis ungewöhnlich niedrig ist oder die Leistung objektiv nicht zu den angebotenen Konditionen erbracht werden kann. Auftraggeber müssen solche Angebote prüfen und dokumentieren, bevor sie sie ausschließen.


      2. Welche Rechtsgrundlagen regeln die Angemessenheit des Angebots?

      Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen sind § 60 VgV, § 44 UVgO, § 16d VOB/A sowie Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU. Diese Vorschriften verpflichten Auftraggeber, ungewöhnlich niedrige Angebote auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Ergänzend verpflichtet § 97 Abs. 2 GWB zur Wahrung von Transparenz und Gleichbehandlung. Der EuGH hat in mehreren Urteilen, darunter „SAG ELV Slovensko“ (C-599/10), klargestellt, dass Auftraggeber Bieter anhören müssen, bevor ein Ausschluss erfolgen darf. Damit ergibt sich aus dem Zusammenspiel nationaler und europäischer Vorschriften eine klare Prüfpflicht, die Auftraggeber weder ignorieren noch verkürzen dürfen.


      3. Wann muss ein Auftraggeber die Angemessenheit des Angebots prüfen?

      Eine Prüfung ist zwingend erforderlich, wenn ein Angebot im Verhältnis zu den anderen Angeboten oder zu den üblichen Marktpreisen ungewöhnlich niedrig erscheint (§ 60 Abs. 1 VgV). Auch qualitative Auffälligkeiten wie unrealistisch kurze Ausführungsfristen oder fehlende Kostenansätze lösen eine Prüfungspflicht aus. Der EuGH betont, dass Auftraggeber bereits bei Anhaltspunkten verpflichtet sind, eine Aufklärung einzuholen. Dies gilt unabhängig davon, ob andere Bieter eine Rüge erheben. Unterbleibt die Prüfung trotz bestehender Zweifel, ist das Vergabeverfahren rechtswidrig und im Nachprüfungsverfahren anfechtbar.


      4. Welche Rolle spielt § 60 VgV bei der Angemessenheit des Angebots?

      § 60 VgV normiert die Pflicht zur Preisprüfung bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten im Oberschwellenbereich. Auftraggeber müssen den betroffenen Bieter auffordern, seine Kalkulation zu erläutern, wenn Zweifel an der Angemessenheit bestehen. Der Bieter kann z. B. auf niedrigere Produktionskosten, besondere Effizienz oder Förderungen verweisen. Der Auftraggeber muss diese Angaben objektiv prüfen und dokumentieren. Erst wenn die Erklärung nicht plausibel ist oder Verstöße gegen Rechtsnormen erkennbar sind, darf ein Ausschluss erfolgen. § 60 VgV setzt damit die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 69 Richtlinie 2014/24/EU um.


      5. Was gilt für die Angemessenheit im Unterschwellenbereich nach UVgO?

      Unterhalb der EU-Schwellenwerte regelt § 44 UVgO die Angemessenheitsprüfung. Inhaltlich entspricht die Vorschrift § 60 VgV, sodass auch im Unterschwellenbereich ungewöhnlich niedrige Angebote überprüft werden müssen. Allerdings besteht hier kein förmlicher Rechtsschutz vor den Vergabekammern. Unternehmen können jedoch Schadensersatz nach §§ 280, 311 Abs. 2 BGB geltend machen oder die Fachaufsicht einschalten. Damit besteht auch im nationalen Bereich ein effektives Schutzinstrument, das Auftraggeber verpflichtet, die Angemessenheit sorgfältig zu prüfen und Bieter nicht ohne rechtliches Gehör auszuschließen.


      6. Wie prüft ein Auftraggeber die Angemessenheit des Angebotspreises?

      Der Auftraggeber fordert den Bieter gemäß § 60 VgV auf, den niedrigen Preis schriftlich zu erklären. Zulässige Begründungen können etwa effiziente Produktionsprozesse, günstigere Einkaufskonditionen, besondere technische Lösungen oder staatliche Subventionen sein. Der Auftraggeber muss diese Angaben auf Plausibilität prüfen und dokumentieren. Der EuGH („SAG ELV Slovensko“) verlangt, dass diese Prüfung objektiv und nachvollziehbar erfolgt. Bleiben die Zweifel bestehen oder sind die Erklärungen unzureichend, darf das Angebot ausgeschlossen werden. Eine pauschale Ablehnung ohne Prüfung ist unzulässig und rechtswidrig.


      7. Was passiert, wenn ein Angebot unangemessen niedrig ist?

      Erweist sich ein Angebot nach Prüfung als unangemessen niedrig und nicht tragfähig, darf der Auftraggeber es ausschließen (§ 60 Abs. 3 VgV). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Leistung bei den angegebenen Preisen nicht ordnungsgemäß erbracht werden kann oder gesetzliche Vorschriften verletzt würden. Der EuGH erlaubt den Ausschluss auch dann, wenn die Unangemessenheit auf Missachtung von Umwelt- oder Sozialstandards beruht. Der Ausschluss ist jedoch nur zulässig, wenn der Bieter zuvor rechtliches Gehör erhalten hat. Ohne Anhörung wäre der Ausschluss ein Verstoß gegen das Vergaberecht.


      8. Welche Bedeutung hat das Urteil „SAG ELV Slovensko“ für die Angemessenheit?

      In der Rechtssache C-599/10 „SAG ELV Slovensko“ stellte der EuGH klar, dass Auftraggeber bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten eine Aufklärungspflicht trifft. Sie müssen den betroffenen Bieter anhören und dessen Erklärungen objektiv prüfen. Ein Ausschluss ohne vorherige Anhörung verstößt gegen den Transparenzgrundsatz und die unionsrechtliche Gleichbehandlungspflicht. Dieses Urteil hat die Anforderungen an die Angemessenheitsprüfung verschärft und in Deutschland zur klaren Normierung in § 60 VgV geführt. Damit ist heute verbindlich geregelt, dass der Ausschluss ungewöhnlich niedriger Angebote nur nach sorgfältiger Prüfung zulässig ist.


      9. Welche Dokumentationspflichten bestehen bei der Angemessenheitsprüfung?

      § 8 VgV und § 7 UVgO verpflichten Auftraggeber, die Prüfung der Angemessenheit vollständig zu dokumentieren. Dies umfasst die Aufforderung an den Bieter, die vorgelegten Erklärungen, die Bewertung durch die Vergabestelle und die abschließende Entscheidung. Der BGH (X ZR 97/19) hat hervorgehoben, dass eine unzureichende Dokumentation die Rechtmäßigkeit des Verfahrens gefährdet. Unternehmen haben Anspruch auf Einsicht in die Dokumentation, soweit dies zur Wahrung ihrer Rechte erforderlich ist. Eine lückenhafte Dokumentation macht das Vergabeverfahren angreifbar und kann zur Aufhebung durch die Vergabekammer führen.


      10. Können qualitative Aspekte zur Unangemessenheit führen?

      Ja, qualitative oder technische Aspekte können ebenfalls ein Angebot unangemessen machen. § 60 Abs. 2 VgV sieht ausdrücklich vor, dass Angebote ausgeschlossen werden können, wenn sie gegen geltende Umwelt-, Sozial- oder Arbeitsrechtsnormen verstoßen. Auch eine technisch unrealistische Leistungserbringung kann zur Unangemessenheit führen. Der BGH (X ZR 78/07) hat entschieden, dass Angebote ausgeschlossen werden dürfen, die objektiv nicht erfüllbar sind. Auftraggeber müssen daher nicht nur Preise, sondern auch die technische und qualitative Machbarkeit prüfen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie realistische und rechtlich einwandfreie Leistungen anbieten müssen.


      11. Welche Rolle spielt die EU-Richtlinie 2014/24/EU?

      Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU schreibt den Mitgliedstaaten verbindlich vor, ungewöhnlich niedrige Angebote zu prüfen. Sie betont die Pflicht zur Anhörung des betroffenen Bieters und nennt mögliche Gründe für niedrige Preise, wie effiziente Verfahren oder technische Lösungen. Gleichzeitig erlaubt sie den Ausschluss, wenn die Unangemessenheit auf Gesetzesverstößen beruht. Deutschland hat diese Vorgaben in § 60 VgV umgesetzt. Der EuGH überwacht die einheitliche Anwendung und stellt sicher, dass Bieter europaweit vergleichbaren Rechtsschutz genießen. Damit ist die Richtlinie der zentrale unionsrechtliche Rahmen für die Angemessenheitsprüfung.


      12. Was passiert, wenn die Angemessenheit nicht geprüft wird?

      Unterlässt ein Auftraggeber trotz Verdachts die Prüfung, liegt ein Verstoß gegen § 60 VgV und Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU vor. Dies macht die Zuschlagsentscheidung rechtswidrig und eröffnet unterlegenen Bietern die Möglichkeit, ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten (§ 160 GWB). Das OLG Düsseldorf (Verg 24/18) hat klargestellt, dass eine unterlassene Prüfung zur Aufhebung der Vergabe führt. Auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche sind denkbar, wenn ein Unternehmen ohne Prüfung ausgeschlossen wurde. Auftraggeber sind daher verpflichtet, jeden Verdacht ernst zu nehmen und die Prüfung lückenlos durchzuführen.


      13. Welche Rechte haben Unternehmen bei einer Angemessenheitsprüfung?

      Unternehmen haben das Recht, angehört zu werden und ihre Preise zu erläutern, wenn Zweifel an der Angemessenheit bestehen. § 60 Abs. 1 Satz 2 VgV verpflichtet Auftraggeber, Bietern rechtliches Gehör zu gewähren. Der EuGH („SAG ELV Slovensko“) hat dies ausdrücklich bestätigt. Unternehmen können ihre Kalkulationen durch Effizienzvorteile, Skaleneffekte oder andere legitime Gründe erklären. Wird das Angebot dennoch ausgeschlossen, haben Unternehmen die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen und ein Nachprüfungsverfahren zu führen. Damit ist die Angemessenheitsprüfung ein Instrument, das nicht nur Auftraggeber, sondern auch die Rechte der Unternehmen schützt.


      14. Dürfen Angebote allein wegen niedriger Preise ausgeschlossen werden?

      Nein, ein Ausschluss allein aufgrund niedriger Preise ist unzulässig. Auftraggeber müssen dem betroffenen Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme geben (§ 60 Abs. 1 VgV). Der EuGH (C-599/10) betont, dass ein pauschaler Ausschluss ohne Anhörung gegen den Transparenzgrundsatz verstößt. Nur wenn die Erklärung unzureichend ist oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften bestehen, ist ein Ausschluss möglich. Niedrige Preise können also durchaus angemessen sein, wenn sie plausibel begründet werden. Auftraggeber dürfen Angebote daher nicht vorschnell ausschließen, sondern müssen stets eine objektive Prüfung vornehmen.


      15. Welche Folgen hat ein Ausschluss wegen Unangemessenheit?

      Ein Ausschluss wegen Unangemessenheit führt dazu, dass das betroffene Unternehmen nicht weiter am Verfahren teilnimmt. Dies ist rechtlich nur zulässig, wenn die Prüfung nach § 60 VgV ordnungsgemäß durchgeführt und dokumentiert wurde. Wird ein Unternehmen zu Unrecht ausgeschlossen, kann es ein Nachprüfungsverfahren anstrengen oder Schadensersatz geltend machen (§ 181 GWB). Der Ausschluss hat für Auftraggeber erhebliche Risiken, wenn er nicht rechtssicher erfolgt. Daher ist eine sorgfältige Prüfung und Begründung zwingend erforderlich. Unternehmen können ihre Rechte effektiv verteidigen, wenn der Ausschluss nicht auf einer plausiblen Grundlage beruht.


      16. Welche Pflichten hat der Auftraggeber bei der Angemessenheitsprüfung?

      Auftraggeber müssen nach § 60 VgV und § 44 UVgO alle Angebote auf ihre Angemessenheit prüfen, wenn Anzeichen für Unangemessenheit vorliegen. Sie sind verpflichtet, den betroffenen Bieter anzuhören, seine Erklärung objektiv zu bewerten und das Ergebnis zu dokumentieren. Zudem müssen sie prüfen, ob das Angebot gegen Umwelt-, Sozial- oder Arbeitsrecht verstößt. Der EuGH betont, dass diese Pflichten unionsrechtlich verankert sind und nicht verkürzt werden dürfen. Unterlassen Auftraggeber diese Prüfung, riskieren sie nicht nur die Aufhebung des Verfahrens, sondern auch Beanstandungen durch Rechnungshöfe oder Aufsichtsbehörden.


      17. Wie können Unternehmen gegen eine fehlerhafte Prüfung vorgehen?

      Unternehmen können gegen eine fehlerhafte Prüfung oberhalb der Schwellenwerte ein Nachprüfungsverfahren nach §§ 155 ff. GWB einleiten. Voraussetzung ist eine Rüge gemäß § 160 Abs. 3 GWB innerhalb von zehn Tagen. Unterhalb der Schwellenwerte können Unternehmen Schadensersatz nach §§ 280, 311 Abs. 2 BGB geltend machen. Zudem können sie die Fachaufsicht einschalten. Die Rechtsprechung zeigt, dass fehlerhafte Prüfungen regelmäßig zur Aufhebung der Vergabe führen. Unternehmen sollten daher Verstöße frühzeitig rügen und notfalls rechtliche Schritte einleiten, um ihre Rechte zu sichern.


      18. Welche Bedeutung hat die Lebenszykluskostenbetrachtung bei der Angemessenheit?

      Die Lebenszykluskostenbetrachtung nach § 59 VgV ermöglicht es Auftraggebern, nicht nur den Anschaffungspreis, sondern auch Betriebskosten, Energieverbrauch und Entsorgungskosten zu berücksichtigen. Dies führt zu einer realistischen Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Angemessenheit eines Angebots. Ein Angebot kann unangemessen sein, wenn es zwar einen niedrigen Anschaffungspreis, aber extrem hohe Folgekosten verursacht. Der EuGH erlaubt ausdrücklich die Berücksichtigung solcher Kriterien, sofern sie mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Unternehmen sollten daher ihre Kalkulationen auch im Hinblick auf Lebenszykluskosten plausibel darlegen.


      19. Welche Risiken bestehen für Auftraggeber bei Nichtbeachtung der Angemessenheit?

      Wenn Auftraggeber die Angemessenheit nicht prüfen, riskieren sie die Rechtswidrigkeit der Vergabe. Unterlegene Bieter können ein Nachprüfungsverfahren einleiten, und Gerichte oder Vergabekammern heben die Vergabe regelmäßig auf. Zudem drohen Beanstandungen durch Rechnungshöfe, Schadensersatzforderungen (§ 181 GWB) und Verzögerungen bei der Projektdurchführung. Auch der Verlust von Fördermitteln ist möglich, wenn die Vergabevorschriften nicht eingehalten werden. Auftraggeber müssen daher die Angemessenheit sorgfältig prüfen und dokumentieren, um rechtliche und wirtschaftliche Risiken zu vermeiden.


      20. Warum ist die Angemessenheit des Angebots für Unternehmen wichtig?

      Für Unternehmen ist die Angemessenheit entscheidend, weil sie sicherstellt, dass Wettbewerber keine unrealistischen Dumpingpreise anbieten können. Sie schützt vor unfairer Konkurrenz und gewährleistet faire Marktbedingungen. Unternehmen können sich darauf verlassen, dass Auftraggeber ungewöhnlich niedrige Angebote prüfen und unfaire Praktiken unterbinden. Gleichzeitig haben sie das Recht, ihre eigenen günstigen Preise plausibel zu erläutern und damit am Verfahren teilzunehmen. Die Angemessenheit ist somit ein Schutzinstrument für redliche Anbieter und ein zentrales Element des fairen Wettbewerbs im Vergaberecht.