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Auftragsgegenstand im Vergaberecht: Grundlagen & Recht

Der Auftragsgegenstand stellt das Herzstück jedes Vergabeverfahrens dar und definiert, was beschafft, geliefert oder geleistet werden soll. Juristisch präzise bestimmt, ist er die Grundlage für die Erstellung der Leistungsbeschreibung, die nach § 121 GWB und § 23 VgV zwingend erforderlich ist. Seine eindeutige Festlegung dient der Transparenz (§ 97 Abs. 1 GWB) und der Sicherung eines fairen Wettbewerbs (§ 97 Abs. 2 GWB). Unternehmen können nur dann ein Angebot abgeben, wenn der Auftragsgegenstand klar beschrieben ist und keine Auslegungsspielräume entstehen. Fehler oder Unklarheiten führen nicht nur zu rechtlichen Risiken für Auftraggeber, sondern auch zu erheblichen praktischen Problemen in der Umsetzung. Dieser Beitrag analysiert die rechtlichen Grundlagen, die Pflichten der Auftraggeber und die Rechte der Unternehmen. Zudem werden Folgen unzulässiger Änderungen, europarechtliche Vorgaben sowie die Rechtsprechung von BGH und EuGH eingehend untersucht.

Rechtliche Grundlagen des Auftragsgegenstands

Der Auftragsgegenstand wird in Deutschland vor allem durch die Vergaberegelungen normiert. § 121 GWB fordert, dass die Leistungsbeschreibung eindeutig und vollständig sein muss. Ergänzend enthalten die §§ 23–25 VgV detaillierte Vorgaben zur Bestimmung der Leistung. Auftraggeber sind verpflichtet, technische Spezifikationen so zu formulieren, dass ein fairer Wettbewerb möglich bleibt. Dies entspricht auch den Anforderungen der UVgO, insbesondere § 14 UVgO. Europarechtlich ist Art. 18 Abs. 1 RL 2014/24/EU zentral, der die Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit vorschreibt. Zudem legt Art. 67 RL 2014/24/EU Kriterien für die Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots fest, die eng mit der Bestimmung des Auftragsgegenstands verknüpft sind. Damit wird deutlich: Der Auftragsgegenstand ist kein bloßer Verwaltungsakt, sondern ein rechtlich definierter Anknüpfungspunkt für das gesamte Vergabeverfahren.

Bestimmung und Abgrenzung des Auftragsgegenstands

Die Bestimmung des Auftragsgegenstands ist ein komplexer juristischer Vorgang. Auftraggeber müssen sicherstellen, dass die Leistungsbeschreibung eindeutig, vollständig und diskriminierungsfrei ist. § 23 Abs. 1 VgV fordert, dass die Beschreibung so gefasst wird, dass alle Unternehmen die gleichen Chancen haben. Technische Spezifikationen dürfen gemäß § 31 VgV nur insoweit verwendet werden, als sie den Wettbewerb nicht behindern. In der Rechtsprechung hat der EuGH (Urteil v. 10.05.2012, Rs. C-368/10, Kommission/ Niederlande) betont, dass eine zu enge Definition des Auftragsgegenstands unzulässig sein kann. Der BGH (Beschluss v. 18.06.2019, Az. X ZB 8/19) stellte klar, dass Auftraggeber eine umfassende Markterkundung vornehmen müssen, um den Auftragsgegenstand realistisch festzulegen. Eine fehlerhafte Abgrenzung gefährdet nicht nur das Verfahren, sondern kann zu dessen Aufhebung führen.

Pflichten der Auftraggeber bei der Definition des Auftragsgegenstands

Öffentliche Auftraggeber sind verpflichtet, den Auftragsgegenstand im Einklang mit den vergaberechtlichen Grundprinzipien festzulegen. § 97 Abs. 1 GWB verpflichtet sie zur Transparenz, während § 97 Abs. 2 GWB den Grundsatz der Gleichbehandlung normiert. Die Definition des Auftragsgegenstands muss daher so erfolgen, dass alle interessierten Unternehmen in die Lage versetzt werden, ein vergleichbares Angebot abzugeben. Nach § 8 VgV besteht zudem eine umfassende Dokumentationspflicht. Jede Entscheidung zur Festlegung des Auftragsgegenstands muss nachvollziehbar niedergelegt werden, damit sie im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens überprüfbar bleibt. Die Praxis zeigt, dass insbesondere die Wahl technischer Spezifikationen problematisch ist. Eine zu enge Formulierung kann als unzulässige Diskriminierung gewertet werden. Auftraggeber sind daher gehalten, neutrale und objektive Kriterien zu verwenden, um den Wettbewerb nicht zu verzerren.

Rechte der Unternehmen beim Auftragsgegenstand

Unternehmen haben einen Anspruch darauf, dass der Auftragsgegenstand eindeutig, transparent und diskriminierungsfrei beschrieben wird. § 97 Abs. 6 GWB verleiht ihnen das Recht, fehlerhafte Vergabeverfahren überprüfen zu lassen. Nach § 160 Abs. 1 GWB können sie ein Nachprüfungsverfahren anstrengen, wenn sie durch eine unklare oder unzulässige Bestimmung des Auftragsgegenstands benachteiligt werden. Die Rechtsprechung hat mehrfach betont, dass Unternehmen ein subjektives Recht auf faire Wettbewerbsbedingungen haben. So stellte das OLG Düsseldorf (Beschluss v. 13.12.2017, Az. VII-Verg 24/17) klar, dass eine diskriminierende Leistungsbeschreibung unzulässig ist. Unternehmen können im Falle einer fehlerhaften Bestimmung nicht nur die Aufhebung des Verfahrens erreichen, sondern unter Umständen auch Schadensersatz nach § 181 GWB verlangen. Damit ist das Recht der Unternehmen ein wesentlicher Garant für die ordnungsgemäße Durchführung öffentlicher Aufträge.

Folgen fehlerhafter oder unzulässiger Änderungen am Auftragsgegenstand

Besondere Relevanz hat § 132 GWB, der nachträgliche Vertragsänderungen regelt. Änderungen des Auftragsgegenstands sind nur zulässig, wenn sie nicht wesentlich sind. Eine wesentliche Änderung liegt vor, wenn sich der Charakter des Vertrags verändert oder neue Marktteilnehmer durch die Änderung hätten zugelassen werden müssen. Der EuGH hat dies in seiner „Pressetext“-Entscheidung (Urteil v. 19.06.2008, Rs. C-454/06) präzisiert. Erfolgen Änderungen unzulässigerweise, ist der Vertrag nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB unwirksam. Dies hat erhebliche Folgen, da der Vertrag ex tunc nichtig ist. Bereits erbrachte Leistungen müssen gegebenenfalls rückabgewickelt werden. Für Auftraggeber bedeutet dies, dass Änderungen am Auftragsgegenstand nur im engen Rahmen zulässig sind und sorgfältig geprüft werden müssen, um gravierende rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

Europarechtliche Dimension des Auftragsgegenstands

Das Unionsrecht prägt die Bestimmung des Auftragsgegenstands erheblich. Art. 18 Abs. 1 RL 2014/24/EU verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz einzuhalten. Auftraggeber müssen daher sicherstellen, dass ihre Leistungsbeschreibung diese Grundsätze widerspiegelt. Art. 67 RL 2014/24/EU betont zudem die Notwendigkeit, den Auftragsgegenstand im Hinblick auf das wirtschaftlich günstigste Angebot zu definieren. Der EuGH hat mehrfach klargestellt, dass der Auftragsgegenstand nicht so formuliert sein darf, dass er bestimmte Anbieter ausschließt, es sei denn, dies ist objektiv gerechtfertigt (EuGH, Urteil v. 10.05.2012, Rs. C-368/10). Damit wird deutlich: Der Auftragsgegenstand ist unionsrechtlich nicht nur eine formale Vorgabe, sondern ein zentraler Bestandteil des Binnenmarktes. Nationale Auftraggeber müssen sich daher an den europäischen Maßstäben orientieren, um die Rechtmäßigkeit ihrer Verfahren zu sichern.

Der Auftragsgegenstand in der Praxis

In der praktischen Umsetzung zeigt sich, dass die Definition des Auftragsgegenstands häufig Probleme bereitet. Insbesondere bei komplexen Beschaffungen, etwa im Bereich der IT oder im Bauwesen, müssen Auftraggeber eine Balance zwischen hinreichender Bestimmtheit und ausreichender Flexibilität finden. § 23 VgV erlaubt technische Spezifikationen, doch darf dies den Wettbewerb nicht behindern. § 31 Abs. 6 VgV fordert die Zulassung gleichwertiger Lösungen. Dies bedeutet, dass Auftraggeber nicht auf bestimmte Marken oder Produkte verweisen dürfen, es sei denn, dies ist durch den Auftragsgegenstand zwingend geboten. Elektronische Vergabeplattformen nach § 10 VgV erleichtern die Bekanntmachung, stellen aber auch erhöhte Anforderungen an die Dokumentation. Für KMU ist es entscheidend, dass der Auftragsgegenstand so gefasst wird, dass sie realistische Chancen auf Teilnahme haben.

Rechtsschutzmöglichkeiten bei fehlerhafter Bestimmung des Auftragsgegenstands

Unternehmen haben bei fehlerhafter Definition des Auftragsgegenstands umfassende Rechtsschutzmöglichkeiten. Nach § 160 GWB können sie ein Nachprüfungsverfahren einleiten, wenn sie durch die Leistungsbeschreibung diskriminiert oder benachteiligt werden. Zuständig sind zunächst die Vergabekammern (§ 156 GWB), im Beschwerdeverfahren die Oberlandesgerichte (§ 171 GWB). Darüber hinaus sind Schadensersatzansprüche nach § 181 GWB möglich, wenn durch die fehlerhafte Bestimmung ein wirtschaftlicher Schaden entsteht. Auch zivilrechtliche Ansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB können in Betracht kommen. Auf europäischer Ebene sichert Art. 1 RL 89/665/EWG effektiven Rechtsschutz. Der EuGH hat in der Entscheidung „Factortame“ (Urteil v. 19.06.1990, Rs. C-213/89) betont, dass Mitgliedstaaten Verfahren bereitstellen müssen, die effektiven Rechtsschutz gewährleisten. Damit steht Unternehmen ein starkes Instrumentarium zur Verfügung.


Fazit zum Auftragsgegenstand

Der Auftragsgegenstand ist das Fundament jedes Vergabeverfahrens. Seine präzise Bestimmung entscheidet darüber, ob das Verfahren rechtskonform, transparent und fair abläuft. Nationale Vorschriften wie § 121 GWB und §§ 23 ff. VgV sowie europäische Vorgaben aus RL 2014/24/EU geben einen klaren Rechtsrahmen vor. Fehlerhafte Bestimmungen oder unzulässige Änderungen führen zu gravierenden Rechtsfolgen, bis hin zur Unwirksamkeit nach § 135 GWB. Auftraggeber sind daher verpflichtet, den Auftragsgegenstand mit höchster Sorgfalt zu definieren, während Unternehmen umfassende Rechte auf Rechtsschutz besitzen. Der Auftragsgegenstand ist damit nicht nur ein technischer Begriff, sondern ein zentrales juristisches Steuerungsinstrument im Vergaberecht.

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FAQ zur Auftragsgegenstand im Vergaberecht

1. Was versteht man unter dem Auftragsgegenstand im Vergaberecht?

Der Auftragsgegenstand beschreibt, was ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen eines Vergabeverfahrens beschaffen möchte. Er ist die inhaltliche Grundlage der Leistungsbeschreibung und damit das zentrale Element für die Ausschreibung. Nach § 121 GWB und § 23 VgV muss er eindeutig und erschöpfend festgelegt werden, damit alle Bieter die gleiche Ausgangslage haben. Unklare oder widersprüchliche Angaben führen regelmäßig zu Verstößen gegen das Transparenzgebot (§ 97 Abs. 1 GWB) und gefährden den Wettbewerb (§ 97 Abs. 2 GWB). Für Unternehmen ist der Auftragsgegenstand maßgeblich, um ihr Angebot wirtschaftlich kalkulieren zu können. Er bestimmt nicht nur den Leistungsumfang, sondern auch die rechtlichen und technischen Anforderungen, die später im Vertrag durchgesetzt werden können.

2. Welche rechtlichen Grundlagen regeln den Auftragsgegenstand?

Die maßgeblichen Rechtsquellen sind auf nationaler und europäischer Ebene zu finden. § 121 GWB verpflichtet Auftraggeber zu klaren und vollständigen Leistungsbeschreibungen. §§ 23–25 VgV konkretisieren, wie technische Spezifikationen formuliert werden dürfen. Nach § 31 VgV ist der Verweis auf bestimmte Marken oder Herkunftsangaben nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn der Auftragsgegenstand dies zwingend erfordert. Europarechtlich ist Art. 18 Abs. 1 RL 2014/24/EU zentral, der Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung vorschreibt. Zudem spielt Art. 67 RL 2014/24/EU eine Rolle, da die Definition des Auftragsgegenstands unmittelbar die Zuschlagskriterien beeinflusst. Zusammen bilden diese Normen einen verbindlichen Rechtsrahmen, der die präzise Bestimmung des Auftragsgegenstands sicherstellen soll.

3. Welche Bedeutung hat der Auftragsgegenstand für Unternehmen?

Für Unternehmen ist der Auftragsgegenstand der zentrale Orientierungspunkt im Vergabeverfahren. Nur wenn er eindeutig definiert ist, können Angebote kalkuliert und die Anforderungen rechtssicher erfüllt werden. § 97 Abs. 6 GWB garantiert Unternehmen das Recht, fehlerhafte Festlegungen überprüfen zu lassen. Ein zu eng gefasster Auftragsgegenstand kann Unternehmen faktisch ausschließen, während ein zu weit gefasster zu erheblichen Kalkulationsrisiken führt. Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss v. 13.12.2017, Az. VII-Verg 24/17) muss die Beschreibung so erfolgen, dass ein fairer Wettbewerb gewährleistet bleibt. Damit entscheidet die Bestimmung des Auftragsgegenstands maßgeblich über die Teilnahme- und Erfolgschancen von Unternehmen im öffentlichen Auftragswesen.

4. Welche Pflichten haben Auftraggeber bei der Festlegung des Auftragsgegenstands?

Auftraggeber müssen den Auftragsgegenstand so definieren, dass er transparent, diskriminierungsfrei und wettbewerbsfördernd ist. § 97 Abs. 1 und 2 GWB verpflichten sie zur Transparenz und Gleichbehandlung. § 23 VgV fordert eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung. Darüber hinaus müssen Auftraggeber gleichwertige Lösungen zulassen (§ 31 Abs. 6 VgV), wenn sie auf bestimmte Produkte oder Verfahren verweisen. § 8 VgV verlangt zudem eine lückenlose Dokumentation der Festlegung, um die Entscheidungen nachprüfbar zu machen. Verstöße können zu Nachprüfungsverfahren nach § 160 GWB führen oder sogar zur Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 GWB. Auftraggeber tragen daher eine hohe Verantwortung, den Auftragsgegenstand sorgfältig zu bestimmen.

5. Welche Rechte haben Bieter in Bezug auf den Auftragsgegenstand?

Bieter haben das Recht, dass der Auftragsgegenstand eindeutig und diskriminierungsfrei festgelegt wird. Sie können nach § 160 Abs. 1 GWB ein Nachprüfungsverfahren einleiten, wenn sie durch eine fehlerhafte Leistungsbeschreibung benachteiligt werden. Das OLG Düsseldorf (Beschluss v. 13.12.2017, Az. VII-Verg 24/17) stellte klar, dass Bieter einen Anspruch auf faire Wettbewerbsbedingungen haben. Darüber hinaus können Unternehmen Schadensersatz nach § 181 GWB verlangen, wenn sie durch eine unzulässige Definition des Auftragsgegenstands einen wirtschaftlichen Schaden erleiden. Damit haben Bieter nicht nur formelle Rechte im Vergabeverfahren, sondern auch materielle Ansprüche, die ihre wirtschaftlichen Interessen schützen.

6. Welche Folgen hat ein unklar definierter Auftragsgegenstand?

Ein unklarer Auftragsgegenstand verstößt gegen § 121 GWB und § 23 VgV. Dies führt regelmäßig zu einer Verletzung des Transparenzgebots nach § 97 Abs. 1 GWB. Die Folge ist, dass Bieter keine belastbaren Angebote abgeben können, da Kalkulationsgrundlagen fehlen. Vergabekammern und Gerichte sehen darin einen erheblichen Verfahrensfehler, der zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führen kann. In gravierenden Fällen kann auch eine Unwirksamkeit nach § 135 GWB eintreten. Zudem drohen Schadensersatzansprüche nach § 181 GWB. Ein unklar definierter Auftragsgegenstand ist daher nicht nur ein formaler Fehler, sondern kann erhebliche finanzielle und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

7. Welche Rolle spielt der Auftragsgegenstand im EU-Recht?

Der Auftragsgegenstand ist unionsrechtlich durch die Richtlinie 2014/24/EU geprägt. Art. 18 Abs. 1 verpflichtet Mitgliedstaaten, Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit sicherzustellen. Art. 42 RL 2014/24/EU regelt ausdrücklich die technischen Spezifikationen des Auftragsgegenstands. Der EuGH hat mehrfach entschieden, dass der Auftragsgegenstand nicht so formuliert werden darf, dass er bestimmte Anbieter ausschließt, es sei denn, dies ist objektiv gerechtfertigt (EuGH, Urteil v. 10.05.2012, Rs. C-368/10). Damit wird der Auftragsgegenstand zu einem zentralen Instrument, um den unionsweiten Binnenmarkt zu fördern und Diskriminierungen zu verhindern.

8. Darf der Auftragsgegenstand auf bestimmte Produkte verweisen?

Grundsätzlich dürfen Auftraggeber nach § 31 Abs. 6 VgV keine Marken, Typen oder bestimmte Hersteller vorschreiben. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn der Auftragsgegenstand dies zwingend erfordert und keine hinreichend genaue Beschreibung möglich ist. Selbst dann muss der Zusatz „oder gleichwertig“ verwendet werden, um den Wettbewerb nicht einzuschränken. Verstöße führen zur Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens und können von den Vergabekammern beanstandet werden. Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung mehrfach klargestellt, dass die Festlegung auf bestimmte Produkte regelmäßig gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 18 Abs. 1 RL 2014/24/EU verstößt. Auftraggeber müssen daher neutral und produktunabhängig formulieren.

9. Welche Dokumentationspflichten bestehen beim Auftragsgegenstand?

§ 8 VgV und § 20 UVgO verpflichten Auftraggeber, sämtliche wesentlichen Entscheidungen, einschließlich der Bestimmung des Auftragsgegenstands, zu dokumentieren. Diese Dokumentation dient der Nachprüfbarkeit und Transparenz. Sie muss so gestaltet sein, dass sie Vergabekammern und Gerichten eine vollständige Kontrolle ermöglicht. Art. 84 RL 2014/24/EU verlangt ebenfalls eine umfassende Dokumentation. Fehlt sie oder ist sie unzureichend, führt dies zu erheblichen Rechtsrisiken für Auftraggeber. Nachprüfungsinstanzen können das Verfahren aufheben, wenn die Dokumentation nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Damit ist die Dokumentationspflicht ein zentrales Instrument, um den Auftragsgegenstand rechtssicher festzulegen.

10. Welche Bedeutung hat die Markterkundung für den Auftragsgegenstand?

Die Markterkundung dient dazu, den Auftragsgegenstand praxisnah und realistisch zu definieren. § 28 VgV erlaubt Auftraggebern ausdrücklich, vor Beginn des Vergabeverfahrens Markterkundungen durchzuführen. Dabei dürfen Unternehmen befragt oder technische Lösungen geprüft werden. Der BGH (Beschluss v. 18.06.2019, Az. X ZB 8/19) hat klargestellt, dass Auftraggeber verpflichtet sind, den Markt sorgfältig zu analysieren, um einen diskriminierungsfreien Auftragsgegenstand zu formulieren. Die Markterkundung darf jedoch nicht dazu führen, dass einzelne Unternehmen bevorzugt werden. Damit ist sie ein wichtiges Hilfsmittel, um Fehler bei der Definition des Auftragsgegenstands zu vermeiden und die Wettbewerbsbedingungen zu verbessern.

11. Welche Folgen hat eine unzulässige Änderung des Auftragsgegenstands?

Nach Zuschlagserteilung dürfen Auftraggeber den Auftragsgegenstand nur im Rahmen des § 132 GWB ändern. Wesentliche Änderungen sind unzulässig und führen nach § 135 Abs. 1 GWB zur Unwirksamkeit des Vertrags. Der EuGH hat dies in seiner „Pressetext“-Entscheidung (Urteil v. 19.06.2008, Rs. C-454/06) konkretisiert. Eine wesentliche Änderung liegt insbesondere dann vor, wenn sich der wirtschaftliche Gesamtcharakter des Vertrags verändert oder zusätzliche Leistungen eingeführt werden, die ursprünglich nicht vorgesehen waren. In solchen Fällen muss eine Neuausschreibung erfolgen. Unternehmen können unzulässige Änderungen im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens angreifen und unter Umständen Schadensersatz nach § 181 GWB geltend machen.

12. Wie können Unternehmen gegen einen fehlerhaften Auftragsgegenstand vorgehen?

Unternehmen haben mehrere Möglichkeiten. Zunächst können sie eine Rüge nach § 160 Abs. 3 GWB erheben. Erfolgt keine Abhilfe, können sie ein Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer beantragen (§ 160 Abs. 1 GWB). Im Beschwerdeverfahren ist das Oberlandesgericht zuständig (§ 171 GWB). Ergänzend stehen Schadensersatzansprüche nach § 181 GWB zur Verfügung, wenn ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Auch zivilrechtliche Ansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB sind denkbar. Auf europäischer Ebene sichert Art. 1 RL 89/665/EWG effektiven Rechtsschutz. Damit haben Unternehmen ein umfassendes Instrumentarium, um gegen fehlerhafte oder diskriminierende Auftragsgegenstände vorzugehen.

13. Welche Bedeutung hat der Auftragsgegenstand für KMU?

Der Auftragsgegenstand ist für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) besonders wichtig, da er über ihre Teilnahmechancen entscheidet. § 97 Abs. 4 GWB verpflichtet Auftraggeber, den Mittelstand zu fördern, insbesondere durch Losaufteilung. Ein zu komplex oder zu groß gefasster Auftragsgegenstand kann KMU faktisch ausschließen. Auftraggeber sind daher gehalten, den Auftragsgegenstand so zu definieren, dass auch kleinere Unternehmen realistische Chancen haben. Auf europäischer Ebene fordert Erwägungsgrund 2 RL 2014/24/EU ausdrücklich die Förderung der KMU-Beteiligung. Damit ist die präzise Festlegung des Auftragsgegenstands ein zentrales Mittel zur Mittelstandsförderung.

14. Welche Rolle spielt der Auftragsgegenstand bei Rahmenverträgen?

Bei Rahmenverträgen ist der Auftragsgegenstand zweistufig zu betrachten. Zunächst muss der Rahmenvertrag selbst nach § 21 VgV eindeutig definiert werden. Zusätzlich muss jeder einzelne Abruf innerhalb des Rahmenvertrags den Vorgaben entsprechen. Änderungen sind nur im Rahmen des § 132 GWB zulässig. Der EuGH (Urteil v. 19.12.2018, Rs. C-216/17, Autorità Garante della Concorrenza) betonte, dass auch bei Abrufen die Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung gelten. Ein unklarer Auftragsgegenstand bei Rahmenverträgen kann daher nicht nur den Rahmenvertrag selbst, sondern auch einzelne Abrufe rechtswidrig machen. Unternehmen können dies durch Nachprüfungsverfahren kontrollieren lassen.

15. Welche Anforderungen stellt die DSGVO an den Auftragsgegenstand?

Wenn der Auftragsgegenstand die Verarbeitung personenbezogener Daten umfasst, müssen Auftraggeber die Vorgaben der DSGVO beachten. Art. 6 Abs. 1 DSGVO verlangt eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung, während Art. 28 DSGVO besondere Anforderungen an Auftragsverarbeitungen stellt. Der Auftragsgegenstand muss in diesem Fall so beschrieben sein, dass Umfang, Zweck und Mittel der Verarbeitung eindeutig festgelegt werden. Verstöße können zu Schadensersatzansprüchen nach Art. 82 DSGVO führen. Damit zeigt sich, dass der Auftragsgegenstand nicht nur vergaberechtliche, sondern auch datenschutzrechtliche Relevanz hat. Auftraggeber müssen die Schnittstellen zwischen Vergaberecht und Datenschutz sorgfältig beachten.

16. Welche Rolle spielt die Transparenzpflicht beim Auftragsgegenstand?

Die Transparenzpflicht ist einer der zentralen Grundsätze des Vergaberechts. § 97 Abs. 1 GWB verpflichtet Auftraggeber, Verfahren transparent zu gestalten. Der Auftragsgegenstand ist hierfür von entscheidender Bedeutung, da er die Basis für alle Angebote bildet. Ein intransparenter Auftragsgegenstand verletzt diesen Grundsatz unmittelbar. Der EuGH hat in der Rechtssache „CAS Succhi di Frutta“ (Urteil v. 29.04.2004, Rs. C-496/99) betont, dass Transparenz unverzichtbar ist, um gleiche Chancen zu gewährleisten. Damit ist die präzise Bestimmung des Auftragsgegenstands nicht nur eine Formalie, sondern eine rechtliche Pflicht, deren Missachtung gravierende Konsequenzen hat.

17. Welche Unterschiede bestehen zwischen nationalem Recht und EU-Vorgaben?

Nationales Recht konkretisiert die Vorgaben der EU-Richtlinie 2014/24/EU. Während Art. 18 RL 2014/24/EU allgemeine Grundsätze festlegt, normieren §§ 121 GWB und 23–25 VgV detaillierte Anforderungen an die Leistungsbeschreibung. Unterschiede bestehen in der Auslegungspraxis: Nationale Gerichte orientieren sich stark an der EuGH-Rechtsprechung, legen einzelne Vorschriften jedoch spezifischer aus. Beispiel: Die Pflicht zur Losaufteilung nach § 97 Abs. 4 GWB ist strenger als die europäische Vorgabe. Insgesamt sind Auftraggeber verpflichtet, beide Ebenen zu berücksichtigen, da Unionsrecht Anwendungsvorrang hat.

18. Welche Risiken bestehen für Auftraggeber bei fehlerhafter Bestimmung?

Fehler bei der Bestimmung des Auftragsgegenstands bergen erhebliche Risiken. Neben der Gefahr eines Nachprüfungsverfahrens (§ 160 GWB) drohen Schadensersatzansprüche (§ 181 GWB) und die Unwirksamkeit des Vertrags (§ 135 GWB). Zudem kann ein fehlerhafter Auftragsgegenstand den Wettbewerb einschränken, was unionsrechtlich gegen Art. 18 Abs. 1 RL 2014/24/EU verstößt. In der Praxis bedeutet dies nicht nur rechtliche, sondern auch wirtschaftliche Risiken. Bereits erbrachte Leistungen müssen möglicherweise rückabgewickelt werden. Auftraggeber sollten daher frühzeitig rechtliche Expertise einbinden, um Risiken zu minimieren.

19. Welche Bedeutung hat der Auftragsgegenstand für die Zuschlagskriterien?

Der Auftragsgegenstand bestimmt unmittelbar die Zuschlagskriterien. § 127 GWB schreibt vor, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist. Art. 67 RL 2014/24/EU konkretisiert, dass Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen müssen. Kriterien, die keinen Bezug zum Auftragsgegenstand haben, sind unzulässig. Der EuGH hat dies in mehreren Entscheidungen klargestellt, u. a. im Urteil v. 17.09.2002, Rs. C-513/99 (Concordia Bus). Damit ist der Auftragsgegenstand maßgeblich dafür, welche Kriterien bei der Angebotsbewertung zulässig sind und wie die Zuschlagsentscheidung rechtlich abgesichert werden kann.

20. Welche Rechtsprechung ist zum Auftragsgegenstand besonders relevant?

Die Rechtsprechung von BGH und EuGH prägt die Praxis maßgeblich. Besonders bedeutsam ist die EuGH-Entscheidung „Pressetext“ (Urteil v. 19.06.2008, Rs. C-454/06), die Kriterien für unzulässige Änderungen am Auftragsgegenstand festlegte. In der Entscheidung „CAS Succhi di Frutta“ (Urteil v. 29.04.2004, Rs. C-496/99) betonte der EuGH die Transparenzpflicht. National relevant ist der BGH-Beschluss vom 18.06.2019 (Az. X ZB 8/19), der Auftraggeber zu einer umfassenden Markterkundung verpflichtet. Diese Entscheidungen zeigen, dass der Auftragsgegenstand nicht nur theoretisch, sondern praktisch ein zentraler Prüfungsmaßstab im Vergaberecht ist.

FAQ zur Angemessenheit des Angebots im Vergaberecht

    1. Was bedeutet die Angemessenheit des Angebots im Vergaberecht?

    Die Angemessenheit des Angebots bezeichnet die rechtliche Pflicht des Auftraggebers, sicherzustellen, dass das Angebot eines Bieters sowohl preislich als auch inhaltlich realistisch und rechtlich zulässig ist. Sie dient dem Schutz der öffentlichen Hand vor unseriösen Angeboten und dem Schutz der Bieter vor unfairer Konkurrenz. Rechtsgrundlagen finden sich in § 60 VgV, § 44 UVgO und Art. 69 Richtlinie 2014/24/EU. Ein Angebot gilt als unangemessen, wenn der Preis ungewöhnlich niedrig ist oder die Leistung objektiv nicht zu den angebotenen Konditionen erbracht werden kann. Auftraggeber müssen solche Angebote prüfen und dokumentieren, bevor sie sie ausschließen.


    2. Welche Rechtsgrundlagen regeln die Angemessenheit des Angebots?

    Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen sind § 60 VgV, § 44 UVgO, § 16d VOB/A sowie Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU. Diese Vorschriften verpflichten Auftraggeber, ungewöhnlich niedrige Angebote auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Ergänzend verpflichtet § 97 Abs. 2 GWB zur Wahrung von Transparenz und Gleichbehandlung. Der EuGH hat in mehreren Urteilen, darunter „SAG ELV Slovensko“ (C-599/10), klargestellt, dass Auftraggeber Bieter anhören müssen, bevor ein Ausschluss erfolgen darf. Damit ergibt sich aus dem Zusammenspiel nationaler und europäischer Vorschriften eine klare Prüfpflicht, die Auftraggeber weder ignorieren noch verkürzen dürfen.


    3. Wann muss ein Auftraggeber die Angemessenheit des Angebots prüfen?

    Eine Prüfung ist zwingend erforderlich, wenn ein Angebot im Verhältnis zu den anderen Angeboten oder zu den üblichen Marktpreisen ungewöhnlich niedrig erscheint (§ 60 Abs. 1 VgV). Auch qualitative Auffälligkeiten wie unrealistisch kurze Ausführungsfristen oder fehlende Kostenansätze lösen eine Prüfungspflicht aus. Der EuGH betont, dass Auftraggeber bereits bei Anhaltspunkten verpflichtet sind, eine Aufklärung einzuholen. Dies gilt unabhängig davon, ob andere Bieter eine Rüge erheben. Unterbleibt die Prüfung trotz bestehender Zweifel, ist das Vergabeverfahren rechtswidrig und im Nachprüfungsverfahren anfechtbar.


    4. Welche Rolle spielt § 60 VgV bei der Angemessenheit des Angebots?

    § 60 VgV normiert die Pflicht zur Preisprüfung bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten im Oberschwellenbereich. Auftraggeber müssen den betroffenen Bieter auffordern, seine Kalkulation zu erläutern, wenn Zweifel an der Angemessenheit bestehen. Der Bieter kann z. B. auf niedrigere Produktionskosten, besondere Effizienz oder Förderungen verweisen. Der Auftraggeber muss diese Angaben objektiv prüfen und dokumentieren. Erst wenn die Erklärung nicht plausibel ist oder Verstöße gegen Rechtsnormen erkennbar sind, darf ein Ausschluss erfolgen. § 60 VgV setzt damit die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 69 Richtlinie 2014/24/EU um.


    5. Was gilt für die Angemessenheit im Unterschwellenbereich nach UVgO?

    Unterhalb der EU-Schwellenwerte regelt § 44 UVgO die Angemessenheitsprüfung. Inhaltlich entspricht die Vorschrift § 60 VgV, sodass auch im Unterschwellenbereich ungewöhnlich niedrige Angebote überprüft werden müssen. Allerdings besteht hier kein förmlicher Rechtsschutz vor den Vergabekammern. Unternehmen können jedoch Schadensersatz nach §§ 280, 311 Abs. 2 BGB geltend machen oder die Fachaufsicht einschalten. Damit besteht auch im nationalen Bereich ein effektives Schutzinstrument, das Auftraggeber verpflichtet, die Angemessenheit sorgfältig zu prüfen und Bieter nicht ohne rechtliches Gehör auszuschließen.


    6. Wie prüft ein Auftraggeber die Angemessenheit des Angebotspreises?

    Der Auftraggeber fordert den Bieter gemäß § 60 VgV auf, den niedrigen Preis schriftlich zu erklären. Zulässige Begründungen können etwa effiziente Produktionsprozesse, günstigere Einkaufskonditionen, besondere technische Lösungen oder staatliche Subventionen sein. Der Auftraggeber muss diese Angaben auf Plausibilität prüfen und dokumentieren. Der EuGH („SAG ELV Slovensko“) verlangt, dass diese Prüfung objektiv und nachvollziehbar erfolgt. Bleiben die Zweifel bestehen oder sind die Erklärungen unzureichend, darf das Angebot ausgeschlossen werden. Eine pauschale Ablehnung ohne Prüfung ist unzulässig und rechtswidrig.


    7. Was passiert, wenn ein Angebot unangemessen niedrig ist?

    Erweist sich ein Angebot nach Prüfung als unangemessen niedrig und nicht tragfähig, darf der Auftraggeber es ausschließen (§ 60 Abs. 3 VgV). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Leistung bei den angegebenen Preisen nicht ordnungsgemäß erbracht werden kann oder gesetzliche Vorschriften verletzt würden. Der EuGH erlaubt den Ausschluss auch dann, wenn die Unangemessenheit auf Missachtung von Umwelt- oder Sozialstandards beruht. Der Ausschluss ist jedoch nur zulässig, wenn der Bieter zuvor rechtliches Gehör erhalten hat. Ohne Anhörung wäre der Ausschluss ein Verstoß gegen das Vergaberecht.


    8. Welche Bedeutung hat das Urteil „SAG ELV Slovensko“ für die Angemessenheit?

    In der Rechtssache C-599/10 „SAG ELV Slovensko“ stellte der EuGH klar, dass Auftraggeber bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten eine Aufklärungspflicht trifft. Sie müssen den betroffenen Bieter anhören und dessen Erklärungen objektiv prüfen. Ein Ausschluss ohne vorherige Anhörung verstößt gegen den Transparenzgrundsatz und die unionsrechtliche Gleichbehandlungspflicht. Dieses Urteil hat die Anforderungen an die Angemessenheitsprüfung verschärft und in Deutschland zur klaren Normierung in § 60 VgV geführt. Damit ist heute verbindlich geregelt, dass der Ausschluss ungewöhnlich niedriger Angebote nur nach sorgfältiger Prüfung zulässig ist.


    9. Welche Dokumentationspflichten bestehen bei der Angemessenheitsprüfung?

    § 8 VgV und § 7 UVgO verpflichten Auftraggeber, die Prüfung der Angemessenheit vollständig zu dokumentieren. Dies umfasst die Aufforderung an den Bieter, die vorgelegten Erklärungen, die Bewertung durch die Vergabestelle und die abschließende Entscheidung. Der BGH (X ZR 97/19) hat hervorgehoben, dass eine unzureichende Dokumentation die Rechtmäßigkeit des Verfahrens gefährdet. Unternehmen haben Anspruch auf Einsicht in die Dokumentation, soweit dies zur Wahrung ihrer Rechte erforderlich ist. Eine lückenhafte Dokumentation macht das Vergabeverfahren angreifbar und kann zur Aufhebung durch die Vergabekammer führen.


    10. Können qualitative Aspekte zur Unangemessenheit führen?

    Ja, qualitative oder technische Aspekte können ebenfalls ein Angebot unangemessen machen. § 60 Abs. 2 VgV sieht ausdrücklich vor, dass Angebote ausgeschlossen werden können, wenn sie gegen geltende Umwelt-, Sozial- oder Arbeitsrechtsnormen verstoßen. Auch eine technisch unrealistische Leistungserbringung kann zur Unangemessenheit führen. Der BGH (X ZR 78/07) hat entschieden, dass Angebote ausgeschlossen werden dürfen, die objektiv nicht erfüllbar sind. Auftraggeber müssen daher nicht nur Preise, sondern auch die technische und qualitative Machbarkeit prüfen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie realistische und rechtlich einwandfreie Leistungen anbieten müssen.


    11. Welche Rolle spielt die EU-Richtlinie 2014/24/EU?

    Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU schreibt den Mitgliedstaaten verbindlich vor, ungewöhnlich niedrige Angebote zu prüfen. Sie betont die Pflicht zur Anhörung des betroffenen Bieters und nennt mögliche Gründe für niedrige Preise, wie effiziente Verfahren oder technische Lösungen. Gleichzeitig erlaubt sie den Ausschluss, wenn die Unangemessenheit auf Gesetzesverstößen beruht. Deutschland hat diese Vorgaben in § 60 VgV umgesetzt. Der EuGH überwacht die einheitliche Anwendung und stellt sicher, dass Bieter europaweit vergleichbaren Rechtsschutz genießen. Damit ist die Richtlinie der zentrale unionsrechtliche Rahmen für die Angemessenheitsprüfung.


    12. Was passiert, wenn die Angemessenheit nicht geprüft wird?

    Unterlässt ein Auftraggeber trotz Verdachts die Prüfung, liegt ein Verstoß gegen § 60 VgV und Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU vor. Dies macht die Zuschlagsentscheidung rechtswidrig und eröffnet unterlegenen Bietern die Möglichkeit, ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten (§ 160 GWB). Das OLG Düsseldorf (Verg 24/18) hat klargestellt, dass eine unterlassene Prüfung zur Aufhebung der Vergabe führt. Auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche sind denkbar, wenn ein Unternehmen ohne Prüfung ausgeschlossen wurde. Auftraggeber sind daher verpflichtet, jeden Verdacht ernst zu nehmen und die Prüfung lückenlos durchzuführen.


    13. Welche Rechte haben Unternehmen bei einer Angemessenheitsprüfung?

    Unternehmen haben das Recht, angehört zu werden und ihre Preise zu erläutern, wenn Zweifel an der Angemessenheit bestehen. § 60 Abs. 1 Satz 2 VgV verpflichtet Auftraggeber, Bietern rechtliches Gehör zu gewähren. Der EuGH („SAG ELV Slovensko“) hat dies ausdrücklich bestätigt. Unternehmen können ihre Kalkulationen durch Effizienzvorteile, Skaleneffekte oder andere legitime Gründe erklären. Wird das Angebot dennoch ausgeschlossen, haben Unternehmen die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen und ein Nachprüfungsverfahren zu führen. Damit ist die Angemessenheitsprüfung ein Instrument, das nicht nur Auftraggeber, sondern auch die Rechte der Unternehmen schützt.


    14. Dürfen Angebote allein wegen niedriger Preise ausgeschlossen werden?

    Nein, ein Ausschluss allein aufgrund niedriger Preise ist unzulässig. Auftraggeber müssen dem betroffenen Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme geben (§ 60 Abs. 1 VgV). Der EuGH (C-599/10) betont, dass ein pauschaler Ausschluss ohne Anhörung gegen den Transparenzgrundsatz verstößt. Nur wenn die Erklärung unzureichend ist oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften bestehen, ist ein Ausschluss möglich. Niedrige Preise können also durchaus angemessen sein, wenn sie plausibel begründet werden. Auftraggeber dürfen Angebote daher nicht vorschnell ausschließen, sondern müssen stets eine objektive Prüfung vornehmen.


    15. Welche Folgen hat ein Ausschluss wegen Unangemessenheit?

    Ein Ausschluss wegen Unangemessenheit führt dazu, dass das betroffene Unternehmen nicht weiter am Verfahren teilnimmt. Dies ist rechtlich nur zulässig, wenn die Prüfung nach § 60 VgV ordnungsgemäß durchgeführt und dokumentiert wurde. Wird ein Unternehmen zu Unrecht ausgeschlossen, kann es ein Nachprüfungsverfahren anstrengen oder Schadensersatz geltend machen (§ 181 GWB). Der Ausschluss hat für Auftraggeber erhebliche Risiken, wenn er nicht rechtssicher erfolgt. Daher ist eine sorgfältige Prüfung und Begründung zwingend erforderlich. Unternehmen können ihre Rechte effektiv verteidigen, wenn der Ausschluss nicht auf einer plausiblen Grundlage beruht.


    16. Welche Pflichten hat der Auftraggeber bei der Angemessenheitsprüfung?

    Auftraggeber müssen nach § 60 VgV und § 44 UVgO alle Angebote auf ihre Angemessenheit prüfen, wenn Anzeichen für Unangemessenheit vorliegen. Sie sind verpflichtet, den betroffenen Bieter anzuhören, seine Erklärung objektiv zu bewerten und das Ergebnis zu dokumentieren. Zudem müssen sie prüfen, ob das Angebot gegen Umwelt-, Sozial- oder Arbeitsrecht verstößt. Der EuGH betont, dass diese Pflichten unionsrechtlich verankert sind und nicht verkürzt werden dürfen. Unterlassen Auftraggeber diese Prüfung, riskieren sie nicht nur die Aufhebung des Verfahrens, sondern auch Beanstandungen durch Rechnungshöfe oder Aufsichtsbehörden.


    17. Wie können Unternehmen gegen eine fehlerhafte Prüfung vorgehen?

    Unternehmen können gegen eine fehlerhafte Prüfung oberhalb der Schwellenwerte ein Nachprüfungsverfahren nach §§ 155 ff. GWB einleiten. Voraussetzung ist eine Rüge gemäß § 160 Abs. 3 GWB innerhalb von zehn Tagen. Unterhalb der Schwellenwerte können Unternehmen Schadensersatz nach §§ 280, 311 Abs. 2 BGB geltend machen. Zudem können sie die Fachaufsicht einschalten. Die Rechtsprechung zeigt, dass fehlerhafte Prüfungen regelmäßig zur Aufhebung der Vergabe führen. Unternehmen sollten daher Verstöße frühzeitig rügen und notfalls rechtliche Schritte einleiten, um ihre Rechte zu sichern.


    18. Welche Bedeutung hat die Lebenszykluskostenbetrachtung bei der Angemessenheit?

    Die Lebenszykluskostenbetrachtung nach § 59 VgV ermöglicht es Auftraggebern, nicht nur den Anschaffungspreis, sondern auch Betriebskosten, Energieverbrauch und Entsorgungskosten zu berücksichtigen. Dies führt zu einer realistischen Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Angemessenheit eines Angebots. Ein Angebot kann unangemessen sein, wenn es zwar einen niedrigen Anschaffungspreis, aber extrem hohe Folgekosten verursacht. Der EuGH erlaubt ausdrücklich die Berücksichtigung solcher Kriterien, sofern sie mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Unternehmen sollten daher ihre Kalkulationen auch im Hinblick auf Lebenszykluskosten plausibel darlegen.


    19. Welche Risiken bestehen für Auftraggeber bei Nichtbeachtung der Angemessenheit?

    Wenn Auftraggeber die Angemessenheit nicht prüfen, riskieren sie die Rechtswidrigkeit der Vergabe. Unterlegene Bieter können ein Nachprüfungsverfahren einleiten, und Gerichte oder Vergabekammern heben die Vergabe regelmäßig auf. Zudem drohen Beanstandungen durch Rechnungshöfe, Schadensersatzforderungen (§ 181 GWB) und Verzögerungen bei der Projektdurchführung. Auch der Verlust von Fördermitteln ist möglich, wenn die Vergabevorschriften nicht eingehalten werden. Auftraggeber müssen daher die Angemessenheit sorgfältig prüfen und dokumentieren, um rechtliche und wirtschaftliche Risiken zu vermeiden.


    20. Warum ist die Angemessenheit des Angebots für Unternehmen wichtig?

    Für Unternehmen ist die Angemessenheit entscheidend, weil sie sicherstellt, dass Wettbewerber keine unrealistischen Dumpingpreise anbieten können. Sie schützt vor unfairer Konkurrenz und gewährleistet faire Marktbedingungen. Unternehmen können sich darauf verlassen, dass Auftraggeber ungewöhnlich niedrige Angebote prüfen und unfaire Praktiken unterbinden. Gleichzeitig haben sie das Recht, ihre eigenen günstigen Preise plausibel zu erläutern und damit am Verfahren teilzunehmen. Die Angemessenheit ist somit ein Schutzinstrument für redliche Anbieter und ein zentrales Element des fairen Wettbewerbs im Vergaberecht.