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Vergabeverfahren rechtssicher erklärt – Grundlagen, Ablauf & Rechtsschutz.

Rechtliche Grundlagen des Vergabeverfahrens

Das Vergabeverfahren bildet den zentralen Mechanismus, mit dem öffentliche Auftraggeber nach §§ 97 ff. GWB die Vergabe von Liefer-, Bau- und Dienstleistungen steuern. Seine gesetzliche Fundierung ergibt sich primär aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), konkret den §§ 97–184 GWB, die die Grundprinzipien Transparenz, Wettbewerb, Gleichbehandlung und Wirtschaftlichkeit verbindlich verankern. Flankiert wird dieser Normenkern durch die Vergabeverordnung (VgV), die Sektorenverordnung (SektVO), die Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) sowie durch die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), die bei Verfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte maßgeblich ist. Hinzu treten die unmittelbar anwendbaren Vorgaben aus den europäischen Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU, die durch die deutsche Gesetzgebung in nationales Recht überführt wurden. Damit steht das Vergabeverfahren in einem komplexen Rechtsrahmen, der nationale und europäische Vorgaben zu einer einheitlichen, justiziablen Struktur verbindet.

Ziele und Grundprinzipien des Vergabeverfahrens

Das Vergabeverfahren verfolgt im Kern die Sicherstellung von fairen Marktbedingungen für alle Bieter, indem ein diskriminierungsfreier Zugang zum öffentlichen Auftragswesen gewährleistet wird. Nach § 97 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge im Wettbewerb sowie im Wege transparenter Verfahren zu vergeben, wobei die Gleichbehandlung aller Unternehmen oberste Priorität hat. Darüber hinaus dient das Vergabeverfahren auch der effizienten Verwendung von Haushaltsmitteln, da nur durch systematisch geordnete Verfahren die wirtschaftlich günstigsten Angebote identifiziert werden können. Das Bundesverfassungsgericht wie auch der Europäische Gerichtshof (EuGH, Rs. C-324/98 „Telaustria“) haben wiederholt betont, dass das Vergabeverfahren nicht allein der formalen Gleichbehandlung dient, sondern auch den Binnenmarkt stärkt, indem es grenzüberschreitende Marktchancen eröffnet.

Verfahrensarten im Vergabeverfahren

Das Vergabeverfahren kennt verschiedene Verfahrensarten, die jeweils in §§ 119 ff. GWB sowie in der VgV konkretisiert sind. Zu unterscheiden sind insbesondere das offene Verfahren, das nichtoffene Verfahren, das Verhandlungsverfahren mit und ohne Teilnahmewettbewerb sowie der wettbewerbliche Dialog und die Innovationspartnerschaft. Das offene Verfahren stellt den Regelfall dar, bei dem jeder interessierte Bieter ein Angebot abgeben darf. Das nichtoffene Verfahren kombiniert eine vorgelagerte Teilnahmestufe mit einer anschließenden Angebotsphase. Das Verhandlungsverfahren ermöglicht – innerhalb klarer Grenzen – einen Dialog zwischen Auftraggeber und Bietern zur Optimierung der Angebote. Der wettbewerbliche Dialog nach § 18 VgV kommt insbesondere bei komplexen Beschaffungsvorhaben zum Einsatz, bei denen der Auftraggeber zunächst keine abschließend definierte Lösung vorgeben kann. Schließlich bietet die Innovationspartnerschaft nach § 19 VgV die Möglichkeit, neuartige Produkte oder Dienstleistungen gemeinsam mit einem Unternehmen zu entwickeln und später zu beschaffen.

Ablauf des Vergabeverfahrens

Das Vergabeverfahren folgt einem strukturierten Ablauf, der auf den in § 97 GWB normierten Prinzipien basiert und in den einzelnen Verordnungen präzisiert wird. Zunächst erfolgt die Bedarfsfeststellung, die Grundlage jeder Ausschreibung ist. Darauf aufbauend wird eine Leistungsbeschreibung erstellt, die nach § 121 GWB eindeutig und erschöpfend sein muss, damit alle Bieter gleiche Chancen haben. Anschließend wird die Vergabebekanntmachung veröffentlicht, entweder europaweit über TED (Tenders Electronic Daily) oder national, je nach Schwellenwert. Es folgt die Angebotsphase, in der interessierte Unternehmen ihre Unterlagen einreichen. Die Prüfung und Wertung der Angebote orientiert sich an den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien und unterliegt den Vorgaben des § 127 GWB, der insbesondere die Zuschlagskriterien Transparenz und Nachvollziehbarkeit verlangt. Mit der Zuschlagserteilung endet das Vergabeverfahren formal, wobei den unterlegenen Bietern nach § 134 GWB ein Informationsrecht zusteht.

Vergabeverfahren oberhalb und unterhalb der EU-Schwellenwerte

Das Vergabeverfahren unterscheidet sich maßgeblich nach dem Auftragswert. Oberhalb der EU-Schwellenwerte greifen die strengen Regelungen des 4. Teils des GWB in Verbindung mit der VgV, wodurch ein unionsweiter Wettbewerb sichergestellt werden soll. Unterhalb der Schwellenwerte gilt die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), die sich inhaltlich eng an die europarechtlich determinierten Vorgaben anlehnt, jedoch eine höhere Flexibilität für nationale und kommunale Auftraggeber bietet. Gleichwohl sind auch hier die Kernprinzipien Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung strikt einzuhalten. Zahlreiche Entscheidungen der Vergabekammern und Oberlandesgerichte, etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.06.2018 – Verg 24/17, zeigen, dass Verstöße gegen diese Prinzipien auch im Unterschwellenbereich zu Nachprüfungsverfahren und erheblichen Verzögerungen führen können.

Rechtsschutz im Vergabeverfahren

Ein zentraler Aspekt des Vergabeverfahrens ist der Rechtsschutz, der in §§ 155 ff. GWB detailliert geregelt ist. Unternehmen, die sich in ihren Rechten verletzt sehen, können ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer anstrengen. Die Vergabekammer prüft, ob das Verfahren den gesetzlichen Vorgaben entspricht, und kann bei Verstößen den Auftraggeber zur Korrektur verpflichten. Gegen Entscheidungen der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht statthaft (§ 171 GWB). Der EuGH hat mehrfach betont, dass effektiver Rechtsschutz ein zentrales Element des Vergaberechts ist (vgl. EuGH, Rs. C-81/98 „Alcatel“). Neben diesem primären Rechtsschutz existiert auch die Möglichkeit zivilrechtlicher Schadensersatzklagen nach § 181 GWB, wenn ein Unternehmen durch vergaberechtswidriges Verhalten einen wirtschaftlichen Schaden erlitten hat.

Vergabeverfahren und Digitalisierung

Die Digitalisierung verändert das Vergabeverfahren grundlegend. Seit Oktober 2018 besteht nach § 97 Abs. 5 GWB die Verpflichtung zur Durchführung elektronischer Vergabeverfahren. Dies umfasst die elektronische Bereitstellung der Vergabeunterlagen, die elektronische Kommunikation mit den Bietern sowie die elektronische Angebotsabgabe. Plattformen wie das Deutsche Vergabeportal oder eVergabe.de sind hierfür zentrale Instrumente. Die elektronische Vergabe stärkt nicht nur die Transparenz, sondern reduziert auch Transaktionskosten für Auftraggeber und Unternehmen. Gleichwohl stellen IT-Sicherheitsanforderungen und die Wahrung des Datenschutzes nach DSGVO erhebliche Herausforderungen dar. Gerichtliche Entscheidungen, etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.10.2018 – Verg 37/18, haben verdeutlicht, dass auch formale Fehler in elektronischen Verfahren zu erheblichen Rechtsfolgen führen können.

Aktuelle Entwicklungen im Vergabeverfahren

Das Vergabeverfahren unterliegt einem kontinuierlichen Wandel, der durch europäische Rechtsprechung, nationale Gesetzesnovellen und politische Zielsetzungen geprägt ist. Zuletzt wurde das Vergaberecht durch das Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Vergaberechts (VergRModG) erheblich überarbeitet, um die Verfahren praxisgerechter und flexibler zu gestalten. Aktuelle Diskussionen betreffen insbesondere die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien bei der Zuschlagserteilung (§ 97 Abs. 3 GWB), die durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zusätzliche Relevanz erhalten haben. Der EuGH (Rs. C-513/99 „Concordia Bus“) hat bereits frühzeitig klargestellt, dass Umweltaspekte zulässige Zuschlagskriterien sein können, solange sie mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Zukünftig wird die Verknüpfung des Vergabeverfahrens mit Nachhaltigkeit und Digitalisierung die maßgeblichen Treiber für Veränderungen darstellen.

Fazit zum Vergabeverfahren

Das Vergabeverfahren ist ein hochkomplexer, rechtsgebundener Prozess, der öffentliche Auftraggeber und Unternehmen gleichermaßen betrifft. Seine rechtliche Fundierung reicht von den §§ 97 ff. GWB über die VgV und UVgO bis hin zu den europäischen Richtlinien. Es dient der Gewährleistung von Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung, während gleichzeitig die wirtschaftliche und nachhaltige Mittelverwendung sichergestellt werden soll. Unternehmen, die sich im Vergabeverfahren beteiligen, benötigen fundierte Kenntnisse der rechtlichen Rahmenbedingungen, um ihre Rechte wahren und wirtschaftliche Chancen nutzen zu können. Auftraggeber wiederum sind verpflichtet, die formalen und materiellen Anforderungen präzise umzusetzen, um Anfechtungen und Verzögerungen zu vermeiden. Wer sich in diesem Spannungsfeld professionell bewegt, gewinnt nicht nur rechtliche Sicherheit, sondern auch strategische Vorteile im Wettbewerb um öffentliche Aufträge.

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FAQ zum Vergabeverfahren

1. Was versteht man unter einem Vergabeverfahren?
Ein Vergabeverfahren ist das rechtlich geregelte Verfahren, mit dem öffentliche Auftraggeber Waren, Bauleistungen oder Dienstleistungen beschaffen. Grundlage bilden die §§ 97 ff. GWB sowie die VgV und UVgO. Ziel ist die Sicherstellung von Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung. Je nach Auftragswert kommen unterschiedliche Vorschriften zur Anwendung, wobei oberhalb der EU-Schwellenwerte europäische Richtlinien verpflichtend sind. Unternehmen erhalten dadurch einen rechtssicheren Zugang zum öffentlichen Markt und können ihre Angebote diskriminierungsfrei platzieren.

2. Welche Rechtsquellen regeln das Vergabeverfahren?
Die maßgeblichen Rechtsquellen in Deutschland sind das GWB, die Vergabeverordnung (VgV), die Sektorenverordnung (SektVO), die Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) sowie die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO). Auf europäischer Ebene sind die Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU zentral. Ergänzend prägt die Rechtsprechung von EuGH, BGH und Vergabekammern die Anwendung. Diese Rechtsquellen bilden ein geschlossenes Normengefüge, das sicherstellt, dass Vergabeverfahren einheitlich, transparent und rechtssicher durchgeführt werden.

3. Welche Arten von Vergabeverfahren gibt es?
Das Vergaberecht kennt das offene Verfahren, das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, den wettbewerblichen Dialog sowie die Innovationspartnerschaft (§§ 15–19 VgV). Während das offene Verfahren maximale Transparenz bietet, erlaubt der wettbewerbliche Dialog eine flexible Ausgestaltung bei komplexen Projekten. Jede Verfahrensart ist rechtlich strikt normiert und darf nur unter bestimmten Voraussetzungen angewendet werden. Auftraggeber müssen die Wahl dokumentieren und begründen, andernfalls drohen Nachprüfungsverfahren und Unwirksamkeit.

4. Wann findet die UVgO Anwendung?
Die UVgO gilt für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte, sofern es sich um Liefer- und Dienstleistungsaufträge öffentlicher Auftraggeber handelt. Sie konkretisiert die Grundprinzipien der Transparenz und Gleichbehandlung, ohne den vollen Formalismus der VgV zu übernehmen. Ihre Anwendungspflicht ergibt sich aus haushaltsrechtlichen Vorgaben des Bundes und der Länder. Fehlerhafte Abgrenzung zu den EU-Schwellenwerten kann zur Anwendung falscher Regelungen und damit zur Rechtswidrigkeit der Vergabe führen.

5. Was ist die Bedeutung der EU-Schwellenwerte im Vergabeverfahren?
Die EU-Schwellenwerte entscheiden darüber, ob nationale oder europäische Vergaberegeln gelten. Werden diese Werte überschritten, müssen die Verfahren europaweit ausgeschrieben und auf TED veröffentlicht werden. Dies soll sicherstellen, dass Unternehmen aus allen Mitgliedstaaten diskriminierungsfrei teilnehmen können. Die Schwellenwerte werden regelmäßig angepasst und sind verbindlich. Eine fehlerhafte Einstufung durch den Auftraggeber kann zu Unwirksamkeit der Vergabe und Nachprüfungsverfahren führen.

6. Welche Rolle spielt die Transparenz im Vergabeverfahren?
Transparenz ist ein zentrales Prinzip des Vergabeverfahrens und in § 97 Abs. 1 GWB verankert. Auftraggeber müssen sämtliche Informationen klar, vollständig und diskriminierungsfrei veröffentlichen. Dies umfasst Ausschreibungsunterlagen, Zuschlagskriterien und Entscheidungsgründe. Der EuGH hat in der „Telaustria“-Entscheidung (C-324/98) betont, dass Transparenz Voraussetzung für effektiven Wettbewerb ist. Fehlt Transparenz, können Unternehmen die Vergabe erfolgreich angreifen, da das Verfahren dann rechtswidrig ist.

7. Wie werden Bieterrechte im Vergabeverfahren geschützt?
Die Bieterrechte sind durch §§ 155 ff. GWB abgesichert. Unternehmen können Nachprüfungsanträge bei Vergabekammern einlegen, wenn sie Vergabeverstöße rügen. Sie haben Anspruch auf Einsicht in die Vergabeakte (§ 165 GWB) und können Diskriminierungen geltend machen. Der Rechtsschutz dient nicht nur der Korrektur individueller Nachteile, sondern auch der Sicherung des Wettbewerbs insgesamt. Der EuGH verlangt zudem effektiven Rechtsschutz nach Art. 47 EU-Grundrechtecharta, was die hohen Anforderungen unterstreicht.

8. Was passiert, wenn Auftraggeber gegen Vergaberecht verstoßen?
Verstöße können schwerwiegende Folgen haben: Der Zuschlag kann nach § 135 GWB für unwirksam erklärt werden, insbesondere bei Missachtung der Stillhaltefrist (§ 134 GWB). Zudem drohen Schadensersatzansprüche nach § 181 GWB, wenn einem Unternehmen der Zuschlag bei ordnungsgemäßer Vergabe zugestanden hätte. Auch Disziplinar- und Haushaltsrechtliche Konsequenzen für den Auftraggeber sind denkbar. Die Folgen betreffen damit sowohl die rechtliche als auch die finanzielle Ebene.

9. Welche Besonderheiten gelten im Verhandlungsverfahren?
Das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb (§ 17 VgV) erlaubt eine flexible Vertragsgestaltung, setzt jedoch voraus, dass eine hinreichend genaue Leistungsbeschreibung nicht möglich ist. Auftraggeber müssen die Gründe dokumentieren und den Wettbewerb wahren. Der EuGH hat betont, dass Verhandlungen nicht zu Diskriminierungen führen dürfen. Unternehmen sollten beachten, dass Verhandlungsrunden detailliert protokolliert werden müssen, um Transparenz und Gleichbehandlung sicherzustellen.

10. Wie schützt das Vergaberecht mittelständische Unternehmen?
Das Vergaberecht enthält zahlreiche mittelstandsfreundliche Regelungen. § 97 Abs. 4 GWB verpflichtet Auftraggeber zur Losaufteilung, um kleinen und mittleren Unternehmen die Teilnahme zu ermöglichen. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dagegen sprechen. Zudem dürfen Eignungsanforderungen nicht unverhältnismäßig hoch angesetzt werden. Diese Regelungen sollen sicherstellen, dass KMU chancengleich am Wettbewerb teilnehmen können.

11. Welche Dokumentationspflichten bestehen im Vergabeverfahren?
Nach § 8 VgV und § 6 UVgO müssen Auftraggeber sämtliche wesentlichen Entscheidungen schriftlich dokumentieren. Dies betrifft die Wahl des Verfahrens, die Eignungsprüfung, die Angebotswertung und die Zuschlagsentscheidung. Eine unzureichende Dokumentation kann als eigenständiger Vergabeverstoß gewertet werden, wie der BGH in X ZB 3/17 entschieden hat. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie Akteneinsicht nutzen können, um mögliche Fehler aufzudecken.

12. Welche Bedeutung hat die Stillhaltefrist?
Die Stillhaltefrist nach § 134 GWB verpflichtet Auftraggeber, unterlegene Bieter mindestens zehn Tage vor Zuschlagserteilung zu informieren. Diese Frist soll Unternehmen die Möglichkeit geben, effektiven Rechtsschutz zu erlangen. Ein Verstoß führt regelmäßig zur Unwirksamkeit des Zuschlags (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB). Unternehmen sollten daher nach Erhalt einer Mitteilung umgehend prüfen, ob ein Nachprüfungsantrag notwendig ist.

13. Wie erfolgt die Wertung von Angeboten?
Die Wertung von Angeboten richtet sich nach § 127 GWB. Zuschlagskriterien müssen transparent und diskriminierungsfrei festgelegt sein. Neben dem Preis können qualitative Kriterien wie Nachhaltigkeit oder technische Qualität berücksichtigt werden. Auftraggeber müssen eine nachvollziehbare Bewertungsmatrix erstellen und die Gewichtung offenlegen. Fehlt es daran, liegt ein Vergabeverstoß vor. Unternehmen haben Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Angebotswertung.

14. Welche Rolle spielt das EU-Recht?
Das EU-Recht prägt das Vergabeverfahren maßgeblich. Art. 18 der Richtlinie 2014/24/EU verpflichtet zu Transparenz und Gleichbehandlung. Mitgliedstaaten müssen diese Vorgaben vollständig umsetzen. Unternehmen können sich auf EU-Recht berufen, wenn nationale Normen unzureichend angewandt werden. Der EuGH überwacht die Einhaltung und konkretisiert die Vorgaben in ständiger Rechtsprechung. Damit entsteht ein einheitlicher Binnenmarkt für öffentliche Aufträge.

15. Wann ist eine Direktvergabe zulässig?
Eine Direktvergabe ohne Wettbewerb ist nur in engen Ausnahmefällen nach § 14 Abs. 4 VgV zulässig, etwa bei Alleinstellungsmerkmalen oder äußerster Dringlichkeit. Auftraggeber müssen diese Ausnahme detailliert begründen und dokumentieren. Missbräuchliche Direktvergaben sind rechtswidrig und führen regelmäßig zur Unwirksamkeit des Vertrags. Unternehmen können eine solche Vergabe im Nachprüfungsverfahren erfolgreich angreifen.

16. Welche Anforderungen gelten an die Eignungsprüfung?
Die Eignungsprüfung muss sachgerecht und verhältnismäßig erfolgen (§ 122 GWB). Kriterien wie Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit sind zulässig, dürfen aber nicht diskriminierend wirken. Auftraggeber müssen die Anforderungen bereits in den Vergabeunterlagen klar benennen. Der EuGH hat mehrfach entschieden, dass überhöhte Anforderungen unzulässig sind. Unternehmen können sich gegen unverhältnismäßige Eignungskriterien zur Wehr setzen.

17. Welche Möglichkeiten haben Unternehmen bei Diskriminierung?
Unternehmen können Diskriminierungen durch Rügen nach § 160 Abs. 3 GWB geltend machen und Nachprüfungsanträge stellen. Sie haben Anspruch auf Einsicht in die Vergabeakte und können Verstöße vor der Vergabekammer angreifen. Der EuGH verlangt effektiven Rechtsschutz, weshalb auch einstweiliger Rechtsschutz möglich ist. Für Unternehmen ist es entscheidend, Fristen einzuhalten und Verstöße frühzeitig zu beanstanden.

18. Welche Rolle spielt die Digitalisierung?
Seit 2018 ist die elektronische Kommunikation verpflichtend (§ 97 Abs. 5 GWB, § 9 VgV). Angebote müssen elektronisch eingereicht werden. Dies erhöht die Transparenz und Nachvollziehbarkeit, bringt aber auch neue rechtliche Anforderungen wie IT-Sicherheit und DSGVO-Konformität. Gerichte haben klargestellt, dass technische Probleme bei Auftraggebern nicht zu Lasten der Bieter gehen dürfen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie die technischen Voraussetzungen erfüllen.

19. Wie können Auftraggeber Innovation fördern?
Die Innovationspartnerschaft (§ 19 VgV) erlaubt die gemeinsame Entwicklung innovativer Produkte mit Unternehmen. Auftraggeber können dabei Forschung und anschließende Beschaffung kombinieren. Ziel ist die Förderung neuer Technologien und Verfahren. Die Partnerschaft muss europaweit ausgeschrieben werden und unterliegt denselben Transparenzpflichten wie andere Verfahren. Sie bietet Chancen für Unternehmen, innovative Lösungen in Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand zu entwickeln.

20. Welche Konsequenzen haben systematische Verstöße?
Systematische Verstöße gegen Vergaberecht können zu Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission führen. Deutschland wurde in der Vergangenheit mehrfach wegen unzureichender Umsetzung der EU-Richtlinien beanstandet. Auftraggeber riskieren erhebliche Sanktionen und Reputationsschäden. Unternehmen können von einer besseren Durchsetzung profitieren, da Wettbewerbsverzerrungen korrigiert werden. Letztlich unterstreichen diese Konsequenzen den hohen Stellenwert der Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften.