+49 (0) 175 427 5003 info@vergabescope.de

Angebotsfrist im Vergaberecht: Regeln, Fristen und Rechtsschutz.

Begriff und rechtliche Bedeutung der Angebotsfrist

Die Angebotsfrist stellt im Vergaberecht die Zeitspanne dar, innerhalb derer Bieter ihre Angebote einreichen können. Ihre Festlegung ist zwingender Bestandteil jeder Ausschreibung und dient der Verwirklichung zentraler Grundsätze wie Transparenz, Gleichbehandlung und Wettbewerb. Rechtsgrundlage bilden §§ 15 ff. VgV, § 10 UVgO sowie Art. 27 der Richtlinie 2014/24/EU. Auftraggeber sind verpflichtet, die Frist so zu setzen, dass Unternehmen eine realistische Chance haben, Angebote auszuarbeiten. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass das Vergaberecht der Sicherung chancengleicher Teilhabe dient und damit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung trägt. In der Praxis ist die Angebotsfrist für Bieter ein entscheidender Faktor, da verspätete Angebote gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV zwingend auszuschließen sind und somit keinen Zugang zum Verfahren mehr ermöglichen.

Rechtsquellen der Angebotsfrist im deutschen Recht

Die maßgeblichen Rechtsquellen zur Angebotsfrist finden sich im GWB, der VgV und der UVgO. Während § 97 Abs. 1 GWB die allgemeinen Grundsätze vorgibt, konkretisieren §§ 15 bis 20 VgV die Mindestfristen je nach Verfahrensart. Im offenen Verfahren beträgt die Frist grundsätzlich 35 Tage ab Veröffentlichung, im nicht offenen Verfahren mindestens 30 Tage ab Aufforderung. Für nationale Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte gilt § 10 UVgO, der Auftraggebern die Pflicht auferlegt, die Frist an Komplexität und Umfang der Leistung anzupassen. Hinzu treten die unionsrechtlichen Vorgaben aus der Richtlinie 2014/24/EU, die insbesondere in Art. 27 verbindliche Mindestfristen normieren. Diese mehrschichtige Rechtsgrundlage gewährleistet, dass die Angebotsfrist nicht willkürlich gesetzt wird, sondern sich an einem einheitlichen europäischen Rechtsrahmen orientiert.

Mindestfristen im Vergaberecht und ihre praktische Anwendung

Das deutsche Vergaberecht orientiert sich strikt an den Vorgaben der EU. Nach § 15 Abs. 2 VgV beträgt die Angebotsfrist im offenen Verfahren mindestens 35 Tage ab Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union. Wird die Angebotsabgabe ausschließlich elektronisch ermöglicht, kann die Frist gemäß § 15 Abs. 3 VgV auf 30 Tage reduziert werden. Eine weitere Verkürzung auf 15 Tage ist zulässig, wenn eine Vorinformation im Sinne von Art. 48 der Richtlinie 2014/24/EU veröffentlicht wurde. Im nicht offenen Verfahren gilt nach § 16 Abs. 3 VgV eine Frist von mindestens 30 Tagen, die unter bestimmten Bedingungen auf 25 Tage reduziert werden kann. Diese Mindestfristen sind zwingend und dürfen vom Auftraggeber nicht unterschritten werden, da sie den unionsrechtlich garantierten Wettbewerbsschutz sicherstellen.

Flexibilität und Verkürzungsmöglichkeiten der Angebotsfrist

Trotz verbindlicher Mindestfristen sieht das Vergaberecht auch Ausnahmen vor, die eine Verkürzung ermöglichen. Nach § 15 Abs. 3 VgV darf die Angebotsfrist bei nachgewiesener Dringlichkeit auf 15 Tage reduziert werden. Gleiches gilt für Verhandlungsverfahren nach § 17 Abs. 7 VgV, bei denen eine Verkürzung auf zehn Tage zulässig ist. Voraussetzung ist jedoch stets, dass eine echte Dringlichkeit vorliegt, die vom Auftraggeber substantiiert dargelegt werden muss. Missbräuchliche Verkürzungen verstoßen gegen § 97 Abs. 1 GWB und können im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens beanstandet werden. Die Vergabekammer des Bundes hat in ihrem Beschluss vom 04.04.2019 (VK 2-24/19) betont, dass eine Verkürzung der Fristen nur unter strenger Beachtung der gesetzlichen Ausnahmegründe zulässig ist, da ansonsten die Wettbewerbsgleichheit untergraben würde.

Anforderungen an die Festlegung der Angebotsfrist durch Auftraggeber

Die Festlegung der Angebotsfrist muss sich an der Art und dem Umfang der ausgeschriebenen Leistung orientieren. Nach § 20 Abs. 3 VgV hat der Auftraggeber sicherzustellen, dass die Frist den Bietern ausreichend Zeit für eine ordnungsgemäße Angebotserstellung bietet. Eine pauschale Orientierung an Mindestfristen genügt nicht, wenn die Komplexität des Auftrags überdurchschnittlich hoch ist. Die Rechtsprechung betont, dass Auftraggeber verpflichtet sind, die individuellen Umstände des jeweiligen Verfahrens zu berücksichtigen. Der BGH hat im Beschluss vom 26.09.2006 (X ZB 14/06) hervorgehoben, dass zu kurze Fristen einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen und das Vergabeverfahren angreifbar machen können.

Berechnung der Angebotsfrist nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln

Die Berechnung der Angebotsfrist richtet sich mangels spezieller Vorschriften nach den allgemeinen Regeln der §§ 187 ff. BGB. Der Fristbeginn knüpft an die Bekanntmachung im Amtsblatt oder die Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe an. Nach § 187 Abs. 1 BGB beginnt die Frist am Folgetag des auslösenden Ereignisses, sodass die Fristdauer nicht den Tag der Bekanntmachung einschließt. Das Fristende wird nach § 188 BGB bestimmt, wobei Sonn- und Feiertage grundsätzlich mitzuzählen sind. Nur wenn das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, verlängert sich die Frist gemäß § 193 BGB auf den nächsten Werktag. Für die Praxis bedeutet dies, dass Auftraggeber präzise Fristangaben machen müssen, um Missverständnisse zu vermeiden und die Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Elektronische Vergabe und ihre Auswirkungen auf die Angebotsfrist

Seit Oktober 2018 sind Auftraggeber verpflichtet, Angebote ausschließlich elektronisch entgegenzunehmen (§ 9 VgV, § 38 UVgO). Die elektronische Übermittlung erleichtert die Abgabe, rechtfertigt aber keine pauschale Verkürzung der Fristen. Vielmehr bleibt es Aufgabe des Auftraggebers, die Angebotsfrist realistisch an den Aufwand der Bieter anzupassen. Die Vergabekammer Bund hat klargestellt, dass die elektronische Form keine Verkürzung begründet, sondern lediglich eine Möglichkeit eröffnet (VK Bund, Beschluss vom 04.04.2019 – VK 2-24/19). Damit bleibt die elektronische Vergabe ein wichtiges Instrument zur Vereinfachung des Verfahrens, ohne jedoch die Schutzfunktion der Angebotsfrist zu relativieren.

Verhältnis der Angebotsfrist zu Bieterrechten

Die Angebotsfrist ist eng mit den subjektiven Rechten der Unternehmen verknüpft. Nach § 97 Abs. 6 GWB haben Unternehmen einen Anspruch auf Einhaltung der Vergaberegeln. Eine unangemessen kurze Frist kann faktisch verhindern, dass Bieter ein vollständiges Angebot einreichen können, wodurch ihre Teilhabe am Verfahren unzulässig beschränkt wird. Besonders kleine und mittlere Unternehmen sind hiervon betroffen, da sie über weniger Ressourcen für kurzfristige Bearbeitungen verfügen. Die EU-Kommission hat wiederholt betont, dass unzureichende Angebotsfristen eine mittelbare Diskriminierung darstellen können. Damit wird deutlich, dass die Angebotsfrist nicht nur eine formale, sondern auch eine materiell-rechtliche Schutzfunktion für die Wirtschaftsteilnehmer erfüllt.

Folgen der Nichteinhaltung der Angebotsfrist durch Bieter

Für Bieter gilt die Angebotsfrist strikt. Ein nach Fristablauf eingegangenes Angebot ist gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV zwingend vom Verfahren auszuschließen. Weder geringfügige Verspätungen noch technische Probleme bei der Übermittlung rechtfertigen eine Ausnahme. Der EuGH hat in der Entscheidung „SAG ELV Slovensko“ (C-599/10) bestätigt, dass verspätete Angebote zwingend unberücksichtigt bleiben müssen, da ansonsten der Grundsatz der Transparenz verletzt würde. Selbst bei minimaler Überschreitung, etwa durch Sekundenverspätung beim elektronischen Upload, ist ein Ausschluss unvermeidlich. Für Bieter bedeutet dies, dass sie die Frist streng einhalten und interne Prozesse entsprechend organisieren müssen.

Folgen der Nichteinhaltung der Angebotsfrist durch Auftraggeber

Setzt ein Auftraggeber die Angebotsfrist fehlerhaft oder unzulässig kurz, führt dies regelmäßig zur Anfechtbarkeit der Vergabeentscheidung. Unternehmen können die fehlerhafte Fristsetzung rügen und im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens geltend machen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wurde. Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 02.08.2017 – VII-Verg 26/16) stellte klar, dass eine unzulässig kurze Angebotsfrist zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führen kann. Damit stellt die ordnungsgemäße Festlegung der Frist nicht nur eine Pflicht des Auftraggebers, sondern zugleich eine Voraussetzung für die Bestandskraft der Vergabeentscheidung dar.

Rechtsschutzmöglichkeiten bei vergaberechtswidriger Fristsetzung

Unternehmen können gegen eine fehlerhafte Angebotsfrist Rechtsschutz gemäß §§ 160 ff. GWB erlangen. Voraussetzung ist eine rechtzeitige Rüge nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB, die den Verstoß konkret bezeichnet. Erfolgt keine Abhilfe, kann das Unternehmen ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer beantragen. Diese prüft, ob die Frist mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmt, und kann im Falle eines Verstoßes das Verfahren aufheben. Gegen die Entscheidung der Vergabekammer steht der sofortigen Beschwerdeweg zum Oberlandesgericht offen (§ 171 GWB). Damit ist gewährleistet, dass Unternehmen effektiven Rechtsschutz gegen unzulässige Fristsetzungen erhalten.

Fazit zur Angebotsfrist

Die Angebotsfrist ist ein elementarer Baustein des Vergaberechts, der Transparenz und Wettbewerb sicherstellt. Ihre Festlegung unterliegt strengen gesetzlichen Regeln, die Auftraggeber wie Bieter gleichermaßen binden. Fehler bei der Fristsetzung oder -einhaltung können gravierende rechtliche Konsequenzen haben und führen nicht selten zur Aufhebung ganzer Verfahren. Unternehmen sollten daher ihre Rechte aktiv wahrnehmen und bei fehlerhaften Fristen frühzeitig rechtliche Schritte einleiten. Auftraggeber wiederum müssen die Fristen sorgfältig bemessen und dokumentieren, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Wer eine Ausschreibung plant oder an einem Vergabeverfahren teilnimmt, sollte sich rechtzeitig beraten lassen, um die komplexen Regelungen zur Angebotsfrist sicher zu beherrschen. Jetzt beraten lassen und rechtssicher handeln.

i

Von Ausschreibung bis Zuschlag: Unser Glossar zum Vergaberecht liefert Ihnen klare und praxisnahe Erklärungen zu allen relevanten Fachbegriffen der UVgO, VgV & GWB.

Unsere Leistungen – von individueller Beratung, über die Erstellung rechtssicherer Vergabeunterlagen bis hin zu Schulungen, die Ihr Team auf den neuesten Stand bringen.

Nutzen Sie auch unsere Schulungen und Online-Kurse, um Ihr Wissen im Vergaberecht gezielt zu vertiefen. Perfekt für Einsteiger und Profis im Einkauf & öffentlicher Vergabe.

Sie benötigen kurzfristige Hilfe? Kontaktieren Sie uns und lassen Sie uns gemeinsam die optimale Lösung für Ihr Projekt finden – persönlich, kompetent und ergebnisorientiert.

Tipps: Wie Sie Angebote rechtssicher einreichen, Vergabeverfahren erfolgreich meistern und öffentliche Ausschreibungen professionell bearbeiten, erfahren Sie auf Vergabescope – weiterführende Praxis-Tipps, Fachartikel und aktuelle Beiträge zum Vergaberecht finden Sie im Vergabe-Blog.

FAQ zur Angebotsfrist

  1. Was versteht man unter der Angebotsfrist im Vergaberecht?
    Die Angebotsfrist bezeichnet die Zeitspanne, in der Bieter ihre Angebote abgeben können. Sie beginnt mit der Veröffentlichung der Bekanntmachung oder der Aufforderung zur Angebotsabgabe und endet mit dem im Vergabeverfahren festgelegten Termin. Rechtsgrundlage sind §§ 15 ff. VgV sowie § 10 UVgO. Ihre Funktion liegt in der Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs und der Gleichbehandlung aller Unternehmen. Verstöße gegen die Angebotsfrist können zur Unwirksamkeit des Vergabeverfahrens führen.
  2. Welche gesetzlichen Vorschriften regeln die Angebotsfrist?
    Die maßgeblichen Normen sind § 20 Abs. 3 VgV, § 10 UVgO und Art. 27 der Richtlinie 2014/24/EU. Ergänzend gelten die allgemeinen Vorschriften des GWB, insbesondere § 97 Abs. 1 GWB zum Wettbewerbsgrundsatz. Für die Berechnung der Frist sind die §§ 187 ff. BGB maßgeblich. Diese Rechtsgrundlagen stellen sicher, dass Fristen transparent, überprüfbar und unionsrechtskonform ausgestaltet sind.
  3. Wie lang ist die Angebotsfrist im offenen Verfahren?
    Im offenen Verfahren beträgt die Angebotsfrist nach § 15 Abs. 2 VgV mindestens 35 Tage ab Veröffentlichung im Amtsblatt der EU. Eine Verkürzung ist möglich, wenn Angebote elektronisch abgegeben werden oder eine Vorinformation veröffentlicht wurde. Damit wird der Grundsatz der Wettbewerbsförderung mit der Effizienz staatlicher Beschaffung in Einklang gebracht.
  4. Wann kann die Angebotsfrist verkürzt werden?
    Eine Verkürzung ist nur in Ausnahmefällen zulässig. § 15 Abs. 3 VgV erlaubt dies bei elektronischer Angebotsabgabe oder bei Vorinformation. Dringlichkeitsfälle nach § 15 Abs. 3 Satz 2 VgV rechtfertigen ebenfalls eine Verkürzung. Die Gründe müssen substantiiert dokumentiert werden, andernfalls liegt ein Verstoß gegen § 97 GWB vor.
  5. Wie berechnet man die Angebotsfrist?
    Die Berechnung richtet sich nach §§ 187 ff. BGB. Beginn ist der Tag nach der Veröffentlichung oder Aufforderung, das Ende bestimmt sich nach § 188 BGB. Fällt das Fristende auf ein Wochenende oder einen Feiertag, verlängert sich die Frist gemäß § 193 BGB auf den nächsten Werktag.
  6. Welche Rolle spielt die elektronische Vergabe bei der Angebotsfrist?
    Die elektronische Vergabe erleichtert die Abgabe und erlaubt eine moderate Verkürzung der Frist (§ 15 Abs. 3 VgV). Sie ersetzt aber nicht die Pflicht, die Komplexität des Auftrags zu berücksichtigen. Auftraggeber müssen weiterhin prüfen, ob die gesetzte Frist für eine ordnungsgemäße Angebotsbearbeitung ausreicht.
  7. Was passiert, wenn ein Angebot nach Fristablauf eingeht?
    Ein nach Fristablauf eingegangenes Angebot ist zwingend auszuschließen (§ 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV). Dies gilt auch bei minimaler Verspätung. Der EuGH hat in „SAG ELV Slovensko“ (C-599/10) entschieden, dass verspätete Angebote nicht berücksichtigt werden dürfen, um den Grundsatz der Transparenz zu wahren.
  8. Kann der Auftraggeber die Angebotsfrist verlängern?
    Ja, Auftraggeber können die Angebotsfrist verlängern, wenn dies erforderlich ist, etwa aufgrund von Änderungen der Vergabeunterlagen. § 20 Abs. 3 VgV verpflichtet den Auftraggeber sogar zur Verlängerung, wenn wesentliche Informationen erst spät bekanntgegeben werden.
  9. Welche Pflichten haben Auftraggeber bei der Festlegung der Frist?
    Auftraggeber müssen die Frist so setzen, dass Bieter realistisch ein Angebot abgeben können (§ 20 Abs. 3 VgV). Die Frist darf weder willkürlich kurz noch unangemessen lang sein. Die Komplexität des Auftrags ist maßgeblich, ebenso die Anzahl der erforderlichen Unterlagen.
  10. Welche Rechte haben Bieter bei fehlerhafter Fristsetzung?
    Bieter können eine unzulässig kurze Frist rügen (§ 160 Abs. 3 GWB) und im Nachprüfungsverfahren geltend machen, dass ihre Teilhabe unrechtmäßig beschränkt wird. Die Vergabekammer kann das Verfahren aufheben, wenn die Fristsetzung gegen das Vergaberecht verstößt.
  11. Welche Unterschiede bestehen zwischen Angebotsfrist und Teilnahmefrist?
    Die Teilnahmefrist betrifft die Abgabe von Teilnahmeanträgen, etwa im nicht offenen Verfahren. Die Angebotsfrist betrifft die Abgabe von vollständigen Angeboten. Beide Fristen sind getrennt zu berechnen und unterliegen eigenen Mindestvorgaben (§§ 16, 20 VgV).
  12. Welche Bedeutung hat die Angebotsfrist für KMU?
    Für kleine und mittlere Unternehmen sind ausreichend bemessene Fristen besonders wichtig, da sie weniger Kapazitäten für kurzfristige Bearbeitungen haben. Zu kurze Fristen können mittelbar diskriminierend wirken und gegen Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU verstoßen.
  13. Was gilt, wenn die Frist falsch berechnet wurde?
    Wird die Frist falsch berechnet, kann dies zur Unwirksamkeit des Verfahrens führen. Bieter haben das Recht, dies zu rügen und im Nachprüfungsverfahren überprüfen zu lassen. Auftraggeber sind verpflichtet, die Fristen präzise anzugeben, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.
  14. Kann eine Angebotsfrist nach Veröffentlichung geändert werden?
    Eine Änderung ist nur durch Verlängerung zulässig, nicht durch Verkürzung. Auftraggeber müssen eine Änderung im Amtsblatt veröffentlichen und sicherstellen, dass alle Bieter informiert werden. Eine Verkürzung nachträglich wäre unzulässig und vergaberechtswidrig.
  15. Welche Folgen hat eine unzulässig kurze Frist?
    Eine unzulässig kurze Frist führt zur Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens. Nach OLG Düsseldorf (VII-Verg 26/16) ist das Verfahren aufzuheben, wenn die Frist nicht den Anforderungen entspricht. Bieter können erfolgreich Rechtsschutz beantragen.
  16. Darf der Auftraggeber Fristen unterschiedlich für Bieter gestalten?
    Nein, unterschiedliche Fristen würden gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 2 GWB) verstoßen. Alle Bieter müssen dieselben Chancen haben. Unterschiedliche Fristen wären diskriminierend und führen zur Rechtswidrigkeit der Ausschreibung.
  17. Welche Bedeutung hat die Angebotsfrist im EU-Binnenmarkt?
    Die Angebotsfrist harmonisiert die Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU. Art. 27 der Richtlinie 2014/24/EU stellt sicher, dass Unternehmen aus allen Mitgliedstaaten chancengleich teilnehmen können. Dies dient der Vollendung des Binnenmarktes.
  18. Welche Rolle spielen Feiertage bei der Angebotsfrist?
    Feiertage werden in die Frist eingerechnet. Endet die Frist an einem Feiertag, verschiebt sich der Ablauf nach § 193 BGB auf den nächsten Werktag. Auftraggeber müssen dies bei der Fristberechnung berücksichtigen, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.
  19. Wie verhält sich die Angebotsfrist zu Dringlichkeitsvergaben?
    Bei Dringlichkeitsvergaben darf die Frist auf 15 oder sogar zehn Tage reduziert werden (§§ 15, 17 VgV). Der Auftraggeber muss jedoch darlegen, dass ein objektiver Zeitdruck besteht. Eine missbräuchliche Anwendung ist vergaberechtswidrig und kann überprüft werden.
  20. Welche gerichtliche Kontrolle gibt es bei Angebotsfristen?
    Vergabekammern und Oberlandesgerichte prüfen, ob die gesetzte Frist den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Ein Verstoß kann zur Aufhebung der Ausschreibung führen. Der EuGH hat zudem klargestellt, dass verspätete Angebote strikt unzulässig sind (C-599/10).