Auftragswert und Auftragsvolumen: Recht & Praxis
Bedeutung von Auftragswert und Auftragsvolumen
Der Auftragswert und das Auftragsvolumen sind zentrale Begriffe des Vergaberechts, da sie maßgeblich über die Anwendbarkeit nationaler und europäischer Vorschriften entscheiden. Während der Auftragswert die voraussichtliche Gesamtvergütung für eine bestimmte Leistung beschreibt, umfasst das Auftragsvolumen den wirtschaftlichen Umfang aller Leistungen, die Gegenstand des Auftrags sind. Nach § 3 VgV ist der geschätzte Auftragswert entscheidend für die Frage, ob ein Auftrag oberhalb oder unterhalb der EU-Schwellenwerte liegt. Fehler bei der Ermittlung können zu falscher Rechtsanwendung führen und erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Der EuGH hat in mehreren Entscheidungen, etwa im Urteil vom 15.03.2012 (Rs. C-574/10, Data Medical), betont, dass eine korrekte Schätzung unverzichtbar ist. Auftraggeber und Unternehmen müssen daher gleichermaßen auf eine präzise Bestimmung von Auftragswert und Auftragsvolumen achten, um Transparenz und Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Rechtliche Grundlagen für Auftragswert und Auftragsvolumen
Die rechtliche Bedeutung von Auftragswert und Auftragsvolumen ergibt sich unmittelbar aus den Vorschriften des GWB und der VgV. § 106 Abs. 2 GWB bestimmt, dass die Vergabe oberhalb bestimmter EU-Schwellenwerte im Oberschwellenbereich nach europäischem Recht erfolgen muss. Maßgeblich für die Einordnung ist der geschätzte Auftragswert, der nach § 3 VgV zu ermitteln ist. Dabei sind alle vorgesehenen Optionen, etwa Verlängerungen oder zusätzliche Leistungen, einzubeziehen. Auftragsvolumen bezeichnet in diesem Zusammenhang die Gesamtheit aller Leistungen, die zusammen den Gegenstand eines Auftrags bilden. Europarechtlich ist Art. 5 RL 2014/24/EU maßgeblich, der detaillierte Vorgaben zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts enthält. Werden diese Regelungen missachtet, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des Art. 18 Abs. 1 RL 2014/24/EU vor. Damit sind Auftragswert und Auftragsvolumen rechtliche Schlüsselkriterien, deren fehlerhafte Bestimmung Verfahren angreifbar macht.
Abgrenzung zwischen Auftragswert und Auftragsvolumen
Juristisch ist zwischen Auftragswert und Auftragsvolumen klar zu unterscheiden, obwohl beide Begriffe eng miteinander verknüpft sind. Der Auftragswert stellt den geschätzten Preis des konkreten Auftrags dar, der für die vergaberechtliche Einordnung relevant ist. Das Auftragsvolumen hingegen beschreibt den inhaltlichen und quantitativen Umfang der Leistung, also beispielsweise die Menge an Bauleistungen oder Lieferungen. § 3 VgV macht deutlich, dass bei der Schätzung des Auftragswertes sämtliche Leistungen berücksichtigt werden müssen, die funktional zusammengehören. Der EuGH (Urteil v. 15.03.2012, Rs. C-574/10) stellte klar, dass eine künstliche Aufspaltung des Auftragsvolumens, um die Anwendung europäischer Vorschriften zu vermeiden, unzulässig ist. Damit wird das Zusammenspiel beider Begriffe deutlich: Der Auftragswert ist die monetäre Übersetzung des sachlich definierten Auftragsvolumens.
Pflichten öffentlicher Auftraggeber bei der Ermittlung
Öffentliche Auftraggeber haben nach § 97 Abs. 1 GWB die Pflicht, Vergabeverfahren transparent und diskriminierungsfrei zu gestalten. Dazu gehört auch die korrekte Ermittlung von Auftragswert und Auftragsvolumen. § 3 VgV schreibt ausdrücklich vor, dass der geschätzte Auftragswert auf Grundlage des Gesamtvolumens aller Leistungen zu bestimmen ist. Es sind sämtliche Optionen, Wiederholungsaufträge oder Verlängerungen einzubeziehen. Unzulässig ist es, den Auftragswert durch künstliche Aufteilung zu verkleinern, um unterhalb der Schwellenwerte zu bleiben (§ 3 Abs. 2 VgV). Verstöße können gravierende Folgen haben, da eine unzutreffende Einordnung zum Oberschwellenrecht führt und das Verfahren nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB unwirksam macht. Damit tragen Auftraggeber eine hohe Verantwortung, Auftragswert und Auftragsvolumen rechtssicher und nachvollziehbar zu bestimmen.
Rechte der Unternehmen im Zusammenhang mit Auftragswert und Auftragsvolumen
Unternehmen haben einen Anspruch darauf, dass Auftragswert und Auftragsvolumen korrekt ermittelt werden. § 97 Abs. 6 GWB verleiht ihnen das Recht, Verstöße gegen Vergaberegeln überprüfen zu lassen. Nach § 160 Abs. 1 GWB können sie ein Nachprüfungsverfahren einleiten, wenn sie durch eine fehlerhafte Schätzung benachteiligt werden. Der EuGH hat in der Entscheidung „Data Medical“ (Rs. C-574/10) betont, dass Unternehmen ein subjektives Recht auf die Einhaltung unionsrechtlicher Vorgaben haben. Ein zu niedrig angesetzter Auftragswert führt dazu, dass ein Auftrag fälschlich im Unterschwellenbereich vergeben wird. Unternehmen werden dadurch diskriminiert, da ihnen die europaweite Ausschreibung verwehrt bleibt. Sie können in einem solchen Fall sowohl Nachprüfungsverfahren anstrengen als auch Schadensersatz nach § 181 GWB geltend machen.
Folgen fehlerhafter Schätzung von Auftragswert und Auftragsvolumen
Eine fehlerhafte Schätzung des Auftragswertes hat gravierende rechtliche Folgen. Nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB ist ein Vertrag unwirksam, wenn er ohne erforderliche europaweite Bekanntmachung vergeben wurde. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Auftragswert falsch angesetzt wurde. Auch Schadensersatzansprüche nach § 181 GWB können entstehen, wenn einem Unternehmen der Zuschlag verwehrt bleibt, den es bei korrekter Schätzung erhalten hätte. Der EuGH hat in der Rechtssache „Data Medical“ hervorgehoben, dass die Vermeidung der EU-Vorschriften durch falsche Berechnungen eine unzulässige Umgehung darstellt. Auftraggeber sind daher verpflichtet, eine nachvollziehbare und dokumentierte Schätzung vorzunehmen. Fehlt es daran, ist nicht nur das Verfahren angreifbar, sondern auch der geschlossene Vertrag im Ergebnis nichtig.
Europarechtliche Vorgaben für Auftragswert und Auftragsvolumen
Die Richtlinie 2014/24/EU enthält in Art. 5 detaillierte Vorgaben zur Schätzung des Auftragswerts. Auftraggeber müssen alle Optionen, Vertragsverlängerungen und mögliche Folgeaufträge berücksichtigen. Art. 18 Abs. 1 RL 2014/24/EU schreibt zudem vor, dass Transparenz und Gleichbehandlung gewahrt bleiben müssen. Der EuGH (Urteil v. 15.03.2012, Rs. C-574/10) hat betont, dass die künstliche Aufspaltung von Aufträgen unionsrechtswidrig ist. Auch Art. 72 RL 2014/24/EU ist relevant, da er unzulässige Vertragsänderungen regelt, die faktisch zu einer Umgehung des Schätzwertes führen können. Damit ist die Ermittlung des Auftragswertes keine nationale Frage, sondern unmittelbar europarechtlich determiniert. Nationale Auftraggeber müssen unionsrechtliche Maßstäbe beachten, um Verstöße und die Unwirksamkeit ihrer Verfahren zu vermeiden.
Auftragswert und Auftragsvolumen in der Praxis
In der praktischen Anwendung ergeben sich häufig Probleme bei der Schätzung des Auftragswertes, insbesondere bei komplexen Bau- oder IT-Projekten. § 3 Abs. 5 VgV sieht vor, dass bei Rahmenvereinbarungen der Gesamtwert aller geplanten Abrufe zugrunde zu legen ist. Fehler entstehen häufig dadurch, dass nur der einzelne Abruf und nicht das gesamte Auftragsvolumen betrachtet wird. Gleiches gilt für dynamische Beschaffungssysteme (§ 3 Abs. 6 VgV). Auftraggeber müssen sicherstellen, dass die Schätzung auf realistischen Annahmen beruht. Unternehmen achten in der Praxis sehr genau auf die Schätzung, da diese über ihre Teilnahmechancen entscheidet. Eine transparente Berechnung ist daher nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung.
Rechtsschutz bei fehlerhafter Ermittlung von Auftragswert und Auftragsvolumen
Unternehmen können bei fehlerhafter Schätzung Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Nach § 160 Abs. 1 GWB ist die Vergabekammer zuständig, wenn durch fehlerhafte Berechnungen Bieterrechte verletzt werden. Wird ein Vertrag trotz fehlerhafter Schätzung geschlossen, können Unternehmen dessen Unwirksamkeit nach § 135 GWB geltend machen. Der Sekundärrechtsschutz erfolgt über Schadensersatz nach § 181 GWB. Auch Art. 1 RL 89/665/EWG garantiert unionsrechtlich effektiven Rechtsschutz. Der EuGH hat in „Factortame“ (Urteil v. 19.06.1990, Rs. C-213/89) klargestellt, dass Mitgliedstaaten keine Hürden errichten dürfen, die den Zugang zum Rechtsschutz erschweren. Damit sind Unternehmen umfassend geschützt und können ihre Rechte auch bei fehlerhafter Schätzung wirksam durchsetzen.
Fazit zum Auftragswert und Auftragsvolumen
Auftragswert und Auftragsvolumen sind Schlüsselkategorien des Vergaberechts. Ihre korrekte Ermittlung entscheidet über die Anwendung nationaler oder europäischer Vorschriften, die Rechtssicherheit des Verfahrens und die Teilnahmechancen der Unternehmen. Nationale Regelungen (§ 3 VgV, § 106 GWB) und europäische Vorgaben (Art. 5 RL 2014/24/EU) bilden ein engmaschiges Regelungsgefüge, das fehlerhafte Schätzungen sanktioniert. Auftraggeber sind verpflichtet, realistische und transparente Berechnungen vorzunehmen, während Unternehmen umfassende Rechtsschutzmöglichkeiten haben. Fehler führen zu gravierenden Konsequenzen, bis hin zur Unwirksamkeit nach § 135 GWB. Damit sind Auftragswert und Auftragsvolumen keine bloßen Kalkulationsgrößen, sondern zentrale juristische Steuerungsinstrumente im Vergaberecht.
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FAQ zu Auftragswert und Auftragsvolumen
1. Was versteht man unter Auftragswert im Vergaberecht?
Der Auftragswert bezeichnet die voraussichtliche Gesamtvergütung, die ein öffentlicher Auftraggeber für eine ausgeschriebene Leistung zu zahlen hat. Maßgeblich ist nach § 3 Abs. 1 VgV der geschätzte Wert ohne Umsatzsteuer. Er entscheidet darüber, ob ein Auftrag oberhalb oder unterhalb der EU-Schwellenwerte liegt und damit ob das europäische oder nur nationales Vergaberecht anzuwenden ist. Auch § 106 Abs. 2 GWB verweist auf die Relevanz des Auftragswertes für die Bestimmung des anwendbaren Rechtsrahmens. Fehler bei der Berechnung können dazu führen, dass Verfahren rechtswidrig durchgeführt werden, was nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB zur Unwirksamkeit des Vertrages führt.
2. Was versteht man unter Auftragsvolumen im Vergaberecht?
Das Auftragsvolumen bezeichnet die Gesamtheit und den quantitativen Umfang der Leistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags sind. Während der Auftragswert die monetäre Schätzung ist, beschreibt das Auftragsvolumen die Menge und Art der zu beschaffenden Leistungen. § 3 Abs. 5 VgV stellt klar, dass bei Rahmenvereinbarungen der Gesamtwert aller vorgesehenen Abrufe zugrunde zu legen ist. Ebenso erfasst § 3 Abs. 6 VgV dynamische Beschaffungssysteme. Damit ist das Auftragsvolumen die sachliche Grundlage für die Bestimmung des Auftragswerts. Unklare oder unvollständige Definitionen führen zu Intransparenz und können gegen das Transparenzgebot (§ 97 Abs. 1 GWB) verstoßen.
3. Welche rechtlichen Grundlagen gelten für Auftragswert und Auftragsvolumen?
Die maßgeblichen Normen sind § 3 VgV, § 106 GWB und Art. 5 RL 2014/24/EU. § 3 VgV legt die Regeln für die Schätzung des Auftragswertes fest und verpflichtet Auftraggeber, sämtliche Optionen, Verlängerungen und Wiederholungen einzubeziehen. § 106 GWB bestimmt, dass oberhalb der Schwellenwerte die Vorschriften des Oberschwellenbereichs Anwendung finden. Art. 5 RL 2014/24/EU enthält detaillierte Vorgaben für die Berechnung auf europäischer Ebene. Diese Regelungen verhindern eine künstliche Aufspaltung von Aufträgen, um europäisches Vergaberecht zu umgehen. Verstöße können zu einem Verstoß gegen das Transparenzgebot aus Art. 18 RL 2014/24/EU führen.
4. Wie unterscheiden sich Auftragswert und Auftragsvolumen?
Obwohl die Begriffe eng verknüpft sind, ist eine klare Unterscheidung erforderlich. Der Auftragswert ist die monetäre Schätzung des Gesamtentgelts, das der Auftraggeber für die Leistung zu zahlen hat. Das Auftragsvolumen beschreibt die sachliche und quantitative Dimension des Auftrags, also die Anzahl, Menge oder Dauer der zu erbringenden Leistungen. Der Auftragswert wird auf Grundlage des Auftragsvolumens ermittelt, muss jedoch zwingend in Geld ausgedrückt werden. Nach § 3 VgV sind Auftraggeber verpflichtet, das Auftragsvolumen vollständig zu berücksichtigen, um den Auftragswert korrekt zu schätzen. Eine falsche Abgrenzung kann rechtliche Fehler begründen und zur Unwirksamkeit des Vergabeverfahrens führen.
5. Warum ist der Auftragswert so wichtig?
Der Auftragswert ist entscheidend, weil er bestimmt, ob ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich mit Anwendung des EU-Vergaberechts oder im Unterschwellenbereich nach nationalem Recht durchzuführen ist. § 106 Abs. 2 GWB verweist ausdrücklich auf die Schwellenwerte, die von der EU regelmäßig angepasst werden. Ein zu niedrig angesetzter Auftragswert führt zu einer rechtswidrigen Anwendung der UVgO statt der VgV. Dies kann nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB die Unwirksamkeit des Vertrags zur Folge haben. Für Unternehmen ist der Auftragswert maßgeblich, da er über den Zugang zu europaweiten Ausschreibungen entscheidet und somit den Wettbewerb unmittelbar beeinflusst.
6. Wie wird der Auftragswert rechtlich berechnet?
Die Berechnung des Auftragswerts erfolgt nach § 3 VgV. Auftraggeber müssen alle vorgesehenen Optionen, Vertragsverlängerungen, Wiederholungsaufträge und Prämien berücksichtigen. Maßgeblich ist der geschätzte Gesamtwert ohne Umsatzsteuer. Nach § 3 Abs. 7 VgV dürfen Auftraggeber keine Aufteilung vornehmen, die nur dem Zweck dient, den Auftragswert unter die Schwellenwerte zu drücken. Art. 5 RL 2014/24/EU enthält vergleichbare europäische Vorgaben. Fehlerhafte Berechnungen können zu Vergabeverstößen führen. Die Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 15.03.2012, Rs. C-574/10, „Data Medical“) hat klargestellt, dass eine fehlerhafte Schätzung eine unzulässige Umgehung europäischen Vergaberechts darstellt.
7. Welche Pflichten haben Auftraggeber bei der Ermittlung?
Öffentliche Auftraggeber sind nach § 97 Abs. 1 GWB verpflichtet, Transparenz zu wahren und den Wettbewerb nicht zu verzerren. Dazu gehört die Pflicht, Auftragswert und Auftragsvolumen korrekt zu bestimmen. § 3 Abs. 2 VgV verbietet ausdrücklich eine künstliche Aufspaltung von Aufträgen, um Schwellenwerte zu umgehen. Zudem verlangt § 8 VgV eine umfassende Dokumentation, die auch die Berechnung des Auftragswertes umfasst. Verstöße gegen diese Pflichten können Nachprüfungsverfahren nach § 160 GWB auslösen. Auch europarechtlich ist Art. 18 Abs. 1 RL 2014/24/EU einschlägig, der Auftraggeber verpflichtet, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
8. Welche Rechte haben Unternehmen im Zusammenhang mit der Schätzung?
Unternehmen können verlangen, dass Auftragswert und Auftragsvolumen korrekt berechnet werden. § 97 Abs. 6 GWB garantiert ihnen ein subjektives Recht auf Einhaltung der Vergabegrundsätze. Nach § 160 Abs. 1 GWB können sie ein Nachprüfungsverfahren anstrengen, wenn sie durch eine fehlerhafte Schätzung benachteiligt werden. Ein zu niedrig angesetzter Auftragswert führt dazu, dass ein Auftrag im Unterschwellenbereich vergeben wird, obwohl eigentlich eine EU-weite Ausschreibung erforderlich wäre. In einem solchen Fall können Unternehmen nicht nur Nachprüfungsverfahren einleiten, sondern unter Umständen auch Schadensersatz nach § 181 GWB geltend machen.
9. Welche Folgen hat eine falsche Berechnung?
Eine falsche Berechnung des Auftragswertes hat gravierende Folgen. Nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB ist ein Vertrag unwirksam, wenn er ohne die erforderliche europaweite Bekanntmachung vergeben wurde. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Auftragswert zu niedrig angesetzt wurde. Unternehmen, die dadurch benachteiligt werden, können Nachprüfungsverfahren anstrengen und Schadensersatz nach § 181 GWB verlangen. Der EuGH hat klargestellt, dass eine fehlerhafte Schätzung eine unzulässige Umgehung europäischen Vergaberechts darstellt. Auftraggeber riskieren damit nicht nur rechtliche, sondern auch wirtschaftliche Konsequenzen, da Verträge rückabgewickelt werden müssen.
10. Welche Rolle spielt das Transparenzgebot?
Das Transparenzgebot ist in § 97 Abs. 1 GWB und Art. 18 Abs. 1 RL 2014/24/EU verankert. Es verpflichtet Auftraggeber, Vergabeverfahren nachvollziehbar, überprüfbar und diskriminierungsfrei zu gestalten. Der Auftragswert und das Auftragsvolumen sind zentrale Elemente dieser Transparenzpflicht. Unklare oder fehlerhafte Angaben verletzen das Transparenzgebot und können Nachprüfungsverfahren auslösen. Die Rechtsprechung des EuGH („CAS Succhi di Frutta“, Urteil v. 29.04.2004, Rs. C-496/99) betont, dass Transparenz eine unverzichtbare Voraussetzung für fairen Wettbewerb ist. Damit ist die präzise und nachvollziehbare Schätzung von Auftragswert und Auftragsvolumen nicht nur formale Pflicht, sondern rechtliche Notwendigkeit.
11. Welche Bedeutung hat die EU-Richtlinie 2014/24/EU?
Die Richtlinie 2014/24/EU harmonisiert das Vergaberecht in der EU. Art. 5 enthält detaillierte Regeln zur Schätzung des Auftragswertes. Auftraggeber müssen den Gesamtwert sämtlicher Leistungen berücksichtigen, einschließlich Optionen und Vertragsverlängerungen. Art. 18 Abs. 1 RL 2014/24/EU normiert die Grundsätze Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit. Der EuGH (Urteil v. 15.03.2012, Rs. C-574/10) hat betont, dass die fehlerhafte Schätzung des Auftragswertes gegen das Unionsrecht verstößt. Damit ist die korrekte Bestimmung nicht nur eine nationale, sondern vor allem eine unionsrechtliche Pflicht.
12. Welche Rolle spielt die Dokumentationspflicht?
§ 8 VgV verpflichtet Auftraggeber, den gesamten Vergabeprozess zu dokumentieren, einschließlich der Schätzung von Auftragswert und Auftragsvolumen. Die Dokumentation muss vollständig und nachvollziehbar sein, sodass sie einer gerichtlichen Überprüfung standhält. Art. 84 RL 2014/24/EU schreibt ebenfalls eine umfassende Dokumentation vor. Unzureichende Dokumentation ist ein schwerwiegender Vergabefehler und kann zur Aufhebung des Verfahrens führen. Sie ist zudem entscheidend für die Verteidigung des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren. Auftraggeber müssen daher sorgfältig begründen, wie sie den Auftragswert ermittelt haben, und diese Angaben dauerhaft aufbewahren.
13. Welche Rolle spielt die Losaufteilung?
§ 97 Abs. 4 GWB verpflichtet Auftraggeber, Aufträge in Lose zu teilen, um KMU die Teilnahme zu erleichtern. Dies beeinflusst unmittelbar die Berechnung des Auftragswertes. § 3 Abs. 7 VgV stellt klar, dass der Gesamtwert maßgeblich bleibt, auch wenn der Auftrag in Lose aufgeteilt wird. Europarechtlich fordert die RL 2014/24/EU in Erwägungsgrund 78 ebenfalls die Förderung der KMU. Damit darf die Losaufteilung nicht dazu führen, dass der Auftragswert künstlich verringert und das Verfahren unterhalb der Schwellenwerte durchgeführt wird. Eine missbräuchliche Aufteilung verstößt gegen § 3 Abs. 2 VgV.
14. Welche Bedeutung hat das Verbot der künstlichen Aufspaltung?
§ 3 Abs. 2 VgV verbietet ausdrücklich die Aufspaltung von Aufträgen mit dem Ziel, den Auftragswert unter die Schwellenwerte zu drücken. Der EuGH hat in der Entscheidung „Data Medical“ (Urteil v. 15.03.2012, Rs. C-574/10) bestätigt, dass solche Praktiken unionsrechtswidrig sind. Das Verbot schützt die Transparenz und die Gleichbehandlung aller Unternehmen. Verstöße führen zur Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens und können zur Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Abs. 1 GWB führen. Auftraggeber müssen daher das Gesamtvolumen aller zusammengehörenden Leistungen zugrunde legen, auch wenn diese in mehrere Lose unterteilt werden.
15. Welche Risiken bestehen für Auftraggeber bei fehlerhafter Berechnung?
Fehlerhafte Berechnungen bergen erhebliche Risiken. Neben der Gefahr eines Nachprüfungsverfahrens (§ 160 GWB) droht die Unwirksamkeit des Vertrags (§ 135 GWB). Zudem können Schadensersatzansprüche nach § 181 GWB entstehen, wenn einem Unternehmen durch die falsche Schätzung der Zuschlag verwehrt wird. Verstöße gegen europarechtliche Vorgaben verletzen das Transparenzgebot aus Art. 18 Abs. 1 RL 2014/24/EU und können zu Vertragsnichtigkeiten führen. Auch die Dokumentationspflicht (§ 8 VgV) spielt eine Rolle: Fehlt eine nachvollziehbare Begründung, wird der Auftraggeber in Nachprüfungsverfahren regelmäßig unterliegen.
16. Welche Rechte haben Unternehmen bei fehlerhafter Berechnung?
Unternehmen können bei fehlerhafter Schätzung mehrere Rechtsmittel nutzen. Sie sind verpflichtet, den Verstoß zunächst zu rügen (§ 160 Abs. 3 GWB). Erfolgt keine Abhilfe, können sie ein Nachprüfungsverfahren einleiten (§ 160 Abs. 1 GWB). Wird der Zuschlag trotz fehlerhafter Schätzung erteilt, können sie dessen Unwirksamkeit nach § 135 GWB geltend machen. Zudem können Schadensersatzansprüche nach § 181 GWB bestehen. Europarechtlich schützt Art. 1 RL 89/665/EWG den Zugang zu effektivem Rechtsschutz. Unternehmen sind somit umfassend abgesichert, um ihre Rechte durchzusetzen.
17. Welche Rolle spielt der EuGH in Bezug auf Auftragswert und Auftragsvolumen?
Der EuGH prägt maßgeblich die Auslegung. In der Entscheidung „Data Medical“ (Urteil v. 15.03.2012, Rs. C-574/10) stellte er klar, dass eine falsche Schätzung eine unzulässige Umgehung des EU-Rechts darstellt. Im Urteil „Pressetext“ (Urteil v. 19.06.2008, Rs. C-454/06) entschied er, dass unzulässige Vertragsänderungen faktisch eine Umgehung des Auftragswerts darstellen können. Auch in „CAS Succhi di Frutta“ (Urteil v. 29.04.2004, Rs. C-496/99) betonte der EuGH die Bedeutung der Transparenz. Damit ist der EuGH ein zentraler Garant dafür, dass Auftragswert und Auftragsvolumen unionsweit einheitlich angewendet werden.
18. Welche Bedeutung hat der Auftragswert bei Rahmenverträgen?
Bei Rahmenverträgen ist nach § 3 Abs. 5 VgV der Gesamtwert aller vorgesehenen Abrufe maßgeblich. Auftraggeber dürfen nicht nur den Wert eines einzelnen Abrufs ansetzen. Art. 5 RL 2014/24/EU enthält vergleichbare Vorgaben. Fehlerhafte Berechnungen führen dazu, dass Rahmenverträge rechtswidrig vergeben werden und Verträge nach § 135 Abs. 1 GWB unwirksam sein können. Unternehmen können dies im Nachprüfungsverfahren überprüfen lassen. Damit ist die korrekte Berechnung des Auftragswertes bei Rahmenverträgen besonders komplex, aber zugleich unverzichtbar.
19. Welche Rolle spielt der Auftragswert bei dynamischen Beschaffungssystemen?
§ 3 Abs. 6 VgV schreibt vor, dass bei dynamischen Beschaffungssystemen der Gesamtwert aller geplanten Käufe über die Laufzeit maßgeblich ist. Auch hier gilt, dass Optionen und Verlängerungen einzubeziehen sind. Art. 5 RL 2014/24/EU sieht vergleichbare Vorgaben vor. Fehlerhafte Schätzungen führen zu denselben Risiken wie bei Rahmenverträgen: Rechtswidrigkeit, Unwirksamkeit nach § 135 GWB und mögliche Schadensersatzansprüche. Auftraggeber müssen daher gerade bei dynamischen Beschaffungssystemen präzise Prognosen erstellen und dokumentieren.
20. Welche Rechtsprechung ist besonders relevant?
Mehrere Urteile sind zentral. Der EuGH entschied in „Data Medical“ (Urteil v. 15.03.2012, Rs. C-574/10), dass falsche Schätzungen unionsrechtswidrig sind. In „Pressetext“ (Urteil v. 19.06.2008, Rs. C-454/06) definierte er unzulässige Vertragsänderungen, die den Auftragswert betreffen. „CAS Succhi di Frutta“ (Urteil v. 29.04.2004, Rs. C-496/99) hob die Transparenz hervor. National betonte der BGH (Beschluss v. 18.06.2019, Az. X ZB 8/19) die Pflicht zur Markterkundung vor der Festlegung des Auftragswerts. Diese Rechtsprechung verdeutlicht, dass Auftragswert und Auftragsvolumen nicht nur theoretische Größen sind, sondern praktisch überprüfbare Rechtskategorien darstellen.
FAQ zur Angemessenheit des Angebots im Vergaberecht
1. Was bedeutet die Angemessenheit des Angebots im Vergaberecht?
Die Angemessenheit des Angebots bezeichnet die rechtliche Pflicht des Auftraggebers, sicherzustellen, dass das Angebot eines Bieters sowohl preislich als auch inhaltlich realistisch und rechtlich zulässig ist. Sie dient dem Schutz der öffentlichen Hand vor unseriösen Angeboten und dem Schutz der Bieter vor unfairer Konkurrenz. Rechtsgrundlagen finden sich in § 60 VgV, § 44 UVgO und Art. 69 Richtlinie 2014/24/EU. Ein Angebot gilt als unangemessen, wenn der Preis ungewöhnlich niedrig ist oder die Leistung objektiv nicht zu den angebotenen Konditionen erbracht werden kann. Auftraggeber müssen solche Angebote prüfen und dokumentieren, bevor sie sie ausschließen.
2. Welche Rechtsgrundlagen regeln die Angemessenheit des Angebots?
Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen sind § 60 VgV, § 44 UVgO, § 16d VOB/A sowie Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU. Diese Vorschriften verpflichten Auftraggeber, ungewöhnlich niedrige Angebote auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Ergänzend verpflichtet § 97 Abs. 2 GWB zur Wahrung von Transparenz und Gleichbehandlung. Der EuGH hat in mehreren Urteilen, darunter „SAG ELV Slovensko“ (C-599/10), klargestellt, dass Auftraggeber Bieter anhören müssen, bevor ein Ausschluss erfolgen darf. Damit ergibt sich aus dem Zusammenspiel nationaler und europäischer Vorschriften eine klare Prüfpflicht, die Auftraggeber weder ignorieren noch verkürzen dürfen.
3. Wann muss ein Auftraggeber die Angemessenheit des Angebots prüfen?
Eine Prüfung ist zwingend erforderlich, wenn ein Angebot im Verhältnis zu den anderen Angeboten oder zu den üblichen Marktpreisen ungewöhnlich niedrig erscheint (§ 60 Abs. 1 VgV). Auch qualitative Auffälligkeiten wie unrealistisch kurze Ausführungsfristen oder fehlende Kostenansätze lösen eine Prüfungspflicht aus. Der EuGH betont, dass Auftraggeber bereits bei Anhaltspunkten verpflichtet sind, eine Aufklärung einzuholen. Dies gilt unabhängig davon, ob andere Bieter eine Rüge erheben. Unterbleibt die Prüfung trotz bestehender Zweifel, ist das Vergabeverfahren rechtswidrig und im Nachprüfungsverfahren anfechtbar.
4. Welche Rolle spielt § 60 VgV bei der Angemessenheit des Angebots?
§ 60 VgV normiert die Pflicht zur Preisprüfung bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten im Oberschwellenbereich. Auftraggeber müssen den betroffenen Bieter auffordern, seine Kalkulation zu erläutern, wenn Zweifel an der Angemessenheit bestehen. Der Bieter kann z. B. auf niedrigere Produktionskosten, besondere Effizienz oder Förderungen verweisen. Der Auftraggeber muss diese Angaben objektiv prüfen und dokumentieren. Erst wenn die Erklärung nicht plausibel ist oder Verstöße gegen Rechtsnormen erkennbar sind, darf ein Ausschluss erfolgen. § 60 VgV setzt damit die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 69 Richtlinie 2014/24/EU um.
5. Was gilt für die Angemessenheit im Unterschwellenbereich nach UVgO?
Unterhalb der EU-Schwellenwerte regelt § 44 UVgO die Angemessenheitsprüfung. Inhaltlich entspricht die Vorschrift § 60 VgV, sodass auch im Unterschwellenbereich ungewöhnlich niedrige Angebote überprüft werden müssen. Allerdings besteht hier kein förmlicher Rechtsschutz vor den Vergabekammern. Unternehmen können jedoch Schadensersatz nach §§ 280, 311 Abs. 2 BGB geltend machen oder die Fachaufsicht einschalten. Damit besteht auch im nationalen Bereich ein effektives Schutzinstrument, das Auftraggeber verpflichtet, die Angemessenheit sorgfältig zu prüfen und Bieter nicht ohne rechtliches Gehör auszuschließen.
6. Wie prüft ein Auftraggeber die Angemessenheit des Angebotspreises?
Der Auftraggeber fordert den Bieter gemäß § 60 VgV auf, den niedrigen Preis schriftlich zu erklären. Zulässige Begründungen können etwa effiziente Produktionsprozesse, günstigere Einkaufskonditionen, besondere technische Lösungen oder staatliche Subventionen sein. Der Auftraggeber muss diese Angaben auf Plausibilität prüfen und dokumentieren. Der EuGH („SAG ELV Slovensko“) verlangt, dass diese Prüfung objektiv und nachvollziehbar erfolgt. Bleiben die Zweifel bestehen oder sind die Erklärungen unzureichend, darf das Angebot ausgeschlossen werden. Eine pauschale Ablehnung ohne Prüfung ist unzulässig und rechtswidrig.
7. Was passiert, wenn ein Angebot unangemessen niedrig ist?
Erweist sich ein Angebot nach Prüfung als unangemessen niedrig und nicht tragfähig, darf der Auftraggeber es ausschließen (§ 60 Abs. 3 VgV). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Leistung bei den angegebenen Preisen nicht ordnungsgemäß erbracht werden kann oder gesetzliche Vorschriften verletzt würden. Der EuGH erlaubt den Ausschluss auch dann, wenn die Unangemessenheit auf Missachtung von Umwelt- oder Sozialstandards beruht. Der Ausschluss ist jedoch nur zulässig, wenn der Bieter zuvor rechtliches Gehör erhalten hat. Ohne Anhörung wäre der Ausschluss ein Verstoß gegen das Vergaberecht.
8. Welche Bedeutung hat das Urteil „SAG ELV Slovensko“ für die Angemessenheit?
In der Rechtssache C-599/10 „SAG ELV Slovensko“ stellte der EuGH klar, dass Auftraggeber bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten eine Aufklärungspflicht trifft. Sie müssen den betroffenen Bieter anhören und dessen Erklärungen objektiv prüfen. Ein Ausschluss ohne vorherige Anhörung verstößt gegen den Transparenzgrundsatz und die unionsrechtliche Gleichbehandlungspflicht. Dieses Urteil hat die Anforderungen an die Angemessenheitsprüfung verschärft und in Deutschland zur klaren Normierung in § 60 VgV geführt. Damit ist heute verbindlich geregelt, dass der Ausschluss ungewöhnlich niedriger Angebote nur nach sorgfältiger Prüfung zulässig ist.
9. Welche Dokumentationspflichten bestehen bei der Angemessenheitsprüfung?
§ 8 VgV und § 7 UVgO verpflichten Auftraggeber, die Prüfung der Angemessenheit vollständig zu dokumentieren. Dies umfasst die Aufforderung an den Bieter, die vorgelegten Erklärungen, die Bewertung durch die Vergabestelle und die abschließende Entscheidung. Der BGH (X ZR 97/19) hat hervorgehoben, dass eine unzureichende Dokumentation die Rechtmäßigkeit des Verfahrens gefährdet. Unternehmen haben Anspruch auf Einsicht in die Dokumentation, soweit dies zur Wahrung ihrer Rechte erforderlich ist. Eine lückenhafte Dokumentation macht das Vergabeverfahren angreifbar und kann zur Aufhebung durch die Vergabekammer führen.
10. Können qualitative Aspekte zur Unangemessenheit führen?
Ja, qualitative oder technische Aspekte können ebenfalls ein Angebot unangemessen machen. § 60 Abs. 2 VgV sieht ausdrücklich vor, dass Angebote ausgeschlossen werden können, wenn sie gegen geltende Umwelt-, Sozial- oder Arbeitsrechtsnormen verstoßen. Auch eine technisch unrealistische Leistungserbringung kann zur Unangemessenheit führen. Der BGH (X ZR 78/07) hat entschieden, dass Angebote ausgeschlossen werden dürfen, die objektiv nicht erfüllbar sind. Auftraggeber müssen daher nicht nur Preise, sondern auch die technische und qualitative Machbarkeit prüfen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie realistische und rechtlich einwandfreie Leistungen anbieten müssen.
11. Welche Rolle spielt die EU-Richtlinie 2014/24/EU?
Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU schreibt den Mitgliedstaaten verbindlich vor, ungewöhnlich niedrige Angebote zu prüfen. Sie betont die Pflicht zur Anhörung des betroffenen Bieters und nennt mögliche Gründe für niedrige Preise, wie effiziente Verfahren oder technische Lösungen. Gleichzeitig erlaubt sie den Ausschluss, wenn die Unangemessenheit auf Gesetzesverstößen beruht. Deutschland hat diese Vorgaben in § 60 VgV umgesetzt. Der EuGH überwacht die einheitliche Anwendung und stellt sicher, dass Bieter europaweit vergleichbaren Rechtsschutz genießen. Damit ist die Richtlinie der zentrale unionsrechtliche Rahmen für die Angemessenheitsprüfung.
12. Was passiert, wenn die Angemessenheit nicht geprüft wird?
Unterlässt ein Auftraggeber trotz Verdachts die Prüfung, liegt ein Verstoß gegen § 60 VgV und Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU vor. Dies macht die Zuschlagsentscheidung rechtswidrig und eröffnet unterlegenen Bietern die Möglichkeit, ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten (§ 160 GWB). Das OLG Düsseldorf (Verg 24/18) hat klargestellt, dass eine unterlassene Prüfung zur Aufhebung der Vergabe führt. Auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche sind denkbar, wenn ein Unternehmen ohne Prüfung ausgeschlossen wurde. Auftraggeber sind daher verpflichtet, jeden Verdacht ernst zu nehmen und die Prüfung lückenlos durchzuführen.
13. Welche Rechte haben Unternehmen bei einer Angemessenheitsprüfung?
Unternehmen haben das Recht, angehört zu werden und ihre Preise zu erläutern, wenn Zweifel an der Angemessenheit bestehen. § 60 Abs. 1 Satz 2 VgV verpflichtet Auftraggeber, Bietern rechtliches Gehör zu gewähren. Der EuGH („SAG ELV Slovensko“) hat dies ausdrücklich bestätigt. Unternehmen können ihre Kalkulationen durch Effizienzvorteile, Skaleneffekte oder andere legitime Gründe erklären. Wird das Angebot dennoch ausgeschlossen, haben Unternehmen die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen und ein Nachprüfungsverfahren zu führen. Damit ist die Angemessenheitsprüfung ein Instrument, das nicht nur Auftraggeber, sondern auch die Rechte der Unternehmen schützt.
14. Dürfen Angebote allein wegen niedriger Preise ausgeschlossen werden?
Nein, ein Ausschluss allein aufgrund niedriger Preise ist unzulässig. Auftraggeber müssen dem betroffenen Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme geben (§ 60 Abs. 1 VgV). Der EuGH (C-599/10) betont, dass ein pauschaler Ausschluss ohne Anhörung gegen den Transparenzgrundsatz verstößt. Nur wenn die Erklärung unzureichend ist oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften bestehen, ist ein Ausschluss möglich. Niedrige Preise können also durchaus angemessen sein, wenn sie plausibel begründet werden. Auftraggeber dürfen Angebote daher nicht vorschnell ausschließen, sondern müssen stets eine objektive Prüfung vornehmen.
15. Welche Folgen hat ein Ausschluss wegen Unangemessenheit?
Ein Ausschluss wegen Unangemessenheit führt dazu, dass das betroffene Unternehmen nicht weiter am Verfahren teilnimmt. Dies ist rechtlich nur zulässig, wenn die Prüfung nach § 60 VgV ordnungsgemäß durchgeführt und dokumentiert wurde. Wird ein Unternehmen zu Unrecht ausgeschlossen, kann es ein Nachprüfungsverfahren anstrengen oder Schadensersatz geltend machen (§ 181 GWB). Der Ausschluss hat für Auftraggeber erhebliche Risiken, wenn er nicht rechtssicher erfolgt. Daher ist eine sorgfältige Prüfung und Begründung zwingend erforderlich. Unternehmen können ihre Rechte effektiv verteidigen, wenn der Ausschluss nicht auf einer plausiblen Grundlage beruht.
16. Welche Pflichten hat der Auftraggeber bei der Angemessenheitsprüfung?
Auftraggeber müssen nach § 60 VgV und § 44 UVgO alle Angebote auf ihre Angemessenheit prüfen, wenn Anzeichen für Unangemessenheit vorliegen. Sie sind verpflichtet, den betroffenen Bieter anzuhören, seine Erklärung objektiv zu bewerten und das Ergebnis zu dokumentieren. Zudem müssen sie prüfen, ob das Angebot gegen Umwelt-, Sozial- oder Arbeitsrecht verstößt. Der EuGH betont, dass diese Pflichten unionsrechtlich verankert sind und nicht verkürzt werden dürfen. Unterlassen Auftraggeber diese Prüfung, riskieren sie nicht nur die Aufhebung des Verfahrens, sondern auch Beanstandungen durch Rechnungshöfe oder Aufsichtsbehörden.
17. Wie können Unternehmen gegen eine fehlerhafte Prüfung vorgehen?
Unternehmen können gegen eine fehlerhafte Prüfung oberhalb der Schwellenwerte ein Nachprüfungsverfahren nach §§ 155 ff. GWB einleiten. Voraussetzung ist eine Rüge gemäß § 160 Abs. 3 GWB innerhalb von zehn Tagen. Unterhalb der Schwellenwerte können Unternehmen Schadensersatz nach §§ 280, 311 Abs. 2 BGB geltend machen. Zudem können sie die Fachaufsicht einschalten. Die Rechtsprechung zeigt, dass fehlerhafte Prüfungen regelmäßig zur Aufhebung der Vergabe führen. Unternehmen sollten daher Verstöße frühzeitig rügen und notfalls rechtliche Schritte einleiten, um ihre Rechte zu sichern.
18. Welche Bedeutung hat die Lebenszykluskostenbetrachtung bei der Angemessenheit?
Die Lebenszykluskostenbetrachtung nach § 59 VgV ermöglicht es Auftraggebern, nicht nur den Anschaffungspreis, sondern auch Betriebskosten, Energieverbrauch und Entsorgungskosten zu berücksichtigen. Dies führt zu einer realistischen Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Angemessenheit eines Angebots. Ein Angebot kann unangemessen sein, wenn es zwar einen niedrigen Anschaffungspreis, aber extrem hohe Folgekosten verursacht. Der EuGH erlaubt ausdrücklich die Berücksichtigung solcher Kriterien, sofern sie mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Unternehmen sollten daher ihre Kalkulationen auch im Hinblick auf Lebenszykluskosten plausibel darlegen.
19. Welche Risiken bestehen für Auftraggeber bei Nichtbeachtung der Angemessenheit?
Wenn Auftraggeber die Angemessenheit nicht prüfen, riskieren sie die Rechtswidrigkeit der Vergabe. Unterlegene Bieter können ein Nachprüfungsverfahren einleiten, und Gerichte oder Vergabekammern heben die Vergabe regelmäßig auf. Zudem drohen Beanstandungen durch Rechnungshöfe, Schadensersatzforderungen (§ 181 GWB) und Verzögerungen bei der Projektdurchführung. Auch der Verlust von Fördermitteln ist möglich, wenn die Vergabevorschriften nicht eingehalten werden. Auftraggeber müssen daher die Angemessenheit sorgfältig prüfen und dokumentieren, um rechtliche und wirtschaftliche Risiken zu vermeiden.
20. Warum ist die Angemessenheit des Angebots für Unternehmen wichtig?
Für Unternehmen ist die Angemessenheit entscheidend, weil sie sicherstellt, dass Wettbewerber keine unrealistischen Dumpingpreise anbieten können. Sie schützt vor unfairer Konkurrenz und gewährleistet faire Marktbedingungen. Unternehmen können sich darauf verlassen, dass Auftraggeber ungewöhnlich niedrige Angebote prüfen und unfaire Praktiken unterbinden. Gleichzeitig haben sie das Recht, ihre eigenen günstigen Preise plausibel zu erläutern und damit am Verfahren teilzunehmen. Die Angemessenheit ist somit ein Schutzinstrument für redliche Anbieter und ein zentrales Element des fairen Wettbewerbs im Vergaberecht.